Rezension

Zwischen Schweiz, Schwarzwald und Syrien

Lenz - Michael Theurillat

Lenz
von Michael Theurillat

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Lenz“ beginnt zunächst wie ein klassischer Krimi: Nach einem mysteriösen Prolog wird die Leiche eines alten Mannes entdeckt, wobei Kommissar Eschenbach einige Ungereimtheiten auffallen. Seine Stellvertreterin im Polizeipräsidium legt ihm bei der Ermittlung jedoch Steine in den Weg. Parallel dazu entwickelt sich die Handlung in eine ganz andere Richtung: Der titelgebende Ewald Lenz tut einem alten Freund einen Gefallen und bringt der gemeinsamen Freundin Isabela ein Päckchen von der Schweiz in den Schwarzwald, wo sie zurückgezogen im extremen Luxus lebt. Dadurch verwickelt sich Lenz ungeahnt in eine internationale Verschwörung.

Die typische Ermittlungsarbeit fehlt hier, weshalb sich das Buch weniger wie ein typischer Krimi und mehr wie ein gesellschaftskritischer Roman liest. Besonders der Handlungsfaden von Lenz und Isabela ist davon geprägt, dass sie auf ihr Leben zurückblickt und darüber erzählt. Zwar hat sie viel Brisantes erlebt, jedoch fühlt sich die rückblickende Erzählweise nicht besonders spannend an. Zudem kommen einige Passagen etwas oberlehrerhaft daher, wenn der Autor Wissen abspult (z.B. in der Erklärung der Geschichte der Züricher Uni oder in Isabelas Aufzeichnungen zum Syrien-Konflikt). Hier hätte ich mir gewünscht, dass die Informationen besser in die Handlung integriert worden wären. Sie stehen oft einfach nur als separater Absatz da.

Interessant finde ich die gesellschaftskritischen Aspekte des Romans, z.B. die Meinungsmache in Zeiten der Digitalisierung, der Nahostkonflikt etc. Auch wenn ich nicht mit allen Aussagen des Autors übereinstimme, fand ich, dass er einige sehr aktuelle Themen geschickt in die Handlung eingebracht hat. Hier hätte ich mir einen stärkeren Fokus auf die politischen und gesellschaftlichen Aspekte gewünscht. Der Krimi-Teil, der mit dem Fortschritt der Handlung immer weiter vernachlässigt wird, wirkte für mich etwas an den Haaren herbeigezogen, um Eschenbach in die Handlung zu integrieren.

Dies war mein erster Eschenbach-Krimi. Vermutlich fehlte mir ein bisschen die Bindung an die Charaktere, um das Buch richtig genießen zu können. Doch die Geschichte an sich ist in sich abgeschlossen und war auch ohne Kenntnisse über die Vorgänger ohne Probleme verständlich. Michael Theurillat pflegt einen äußerst ansprechenden Schreibstil, sodass sich das Buch schnell lesen ließ.