Zwischen Stärken und Schwächen
Dieses Buch schwankt zwischen Stärken und Schwächen. Am Anfang steht die Begeisterung für den Ozean, doch die Geschichte kann nicht begeistern, weder von ihren Charakteren noch von ihrer Handlung.
Da die ersten Seiten schon verwirrend waren, starte ich mit der Struktur und dem grundlegenden Aufbau des Buches. Ich brauchte etwas, um in die Geschichte hineinzufinden, da aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, und so schnell findet man sich nicht zurecht, und weiß nicht, welche Figuren nun Hauptfiguren sind und wichtig für den weiteren Verlauf.
Eine Figur schien mir auch für die Geschichte eher irrelevant. Oder anders: wieso wollte der Autor ausgerechnet diese Handlungsstränge miteinander verbinden? Es wird von der Freundschaft zwischen Todd und Rafi berichtet und von einer Ozeanografin, namens Evie. Obwohl mir ihre Geschichte – eine große Frau gibt alles dafür, tauchen zu gehen – gefallen hat, fragte ich mich nach dem Lesen, wieso eigentlich ihre Geschichte bedeutend genug war, um sie mit dem Zerfall einer Freundschaft zwischen einem Weißen und einem Schwarzen in Verbindung zu bringen? Ich empfand es fehl am Platz, weil mir nie klar wurde, wie der Handlungsstrang diesen interessanter macht. Evies Geschichte stand für sich. Sie war bezaubert vom Ozean und in meinen Augen hat der Autor das gut rübergebracht. Nicht sehr gut, weil ich keinen neuen Ansatz bemerkt hätte.
Zu dem war der Fokus ihrer Geschichte die unerforschten Ecken des Ozeans, während der andere Teil über die Entwicklung der künstlichen Intelligenz erzählte. Auf der einen Seite kam es mir so vor, als würde ich eine Doku von Steve Irwin sehen – vom Gefühl her – und auf der anderen Seite wurde der heutigen Gesellschaft gezeigt, wie die KI (bzw. das Internet) unser Verhaltensmuster bestimmt. Hier kam es mir vor, als ob der Autor uns einen Spiegel vorhalten will, all diejenigen, die im Internet surfen, und das wohl zu lange und selten in der Natur sind. Sollten wir nicht die Vielfältigkeit der Tierarten untersuchen und unentdeckte Gattungen klassifizieren? Interessanter für spätere Leser in der Zukunft. Hier fand ich es nicht als eine Art „Augenöffner“, sondern als eine Darstellung der Tatsachen. Ich hätte es besser gefunden, diese Geschichten unabhängig voneinander gelesen zu haben.
Denn so wie Evies Geschichte an sich spannend zu lesen war, so war es auch die Kindheit der beiden männlichen Protagonisten Ravi und Todd. Ihre aufkeimende Freundschaft, ihr Verständnis füreinander und Zusammenhalt haben mich auf ihre Weise fasziniert. Und ich freute mich immer über jedes neue Detail ihrer Beziehung.
Am Ende waren die Geschichten miteinander verwoben worden, doch hatte es für mich nicht Tiefe. Die Charakterstudien mochte ich mehr als die Handlung. Diese war eher die Nacherzählung ihres Werdegangs und damit nicht von Bedeutung, wie die Gefühle und Entscheidungen der Figuren. Die Studien mochte ich sehr. Der Autor hat einen bestimmten Schreibstil, der solche „character driven“ Bücher keineswegs langweilig macht.
Doch Ina sah ich nie als einen Hauptcharakter, so wenig bedeutend empfand ich die Geschichte der Insel Makatea und dem Kolonialismus und der Frage nach deren Entwicklung. Auch der genaue Konflikt, der die beiden Freunde trennte, ist mir nicht ganz klar geworden, denn in meinen Augen war es eher eine Ego-Sache. Das war frustrierend. Und die Eigenschaft von Rafi, sich sehr „schwarz“ zu sehen, und alle anderen als sehr „weiß“ hat mich schon gestört. Die „nur weil ich schwarz bin“-Karte wurde hier übertrieben auf diesen Charakter zugeschrieben. Ach, und Evie mochte plötzlich Frauen. So schnell dieser Gedanke kam, verschwand er auch wieder.
Das Ende war überraschend und ich habe es nicht kommen sehen. Ob es ein Happy End war, möchte ich nicht spoilern. Es war eine schön erzählte Geschichte. Aber es war für den Moment okay. Ich konnte sie nicht wirklich fassen, und nicht genau benennen, was fehlt, aber es bleibt bei einer netten Geschichte. Die interessante Frage ist doch: Auf welchem Planeten leben wir eigentlich? Wieso wissen wir so wenig über den Ozean? Und dazu braucht es vielleicht nicht, dieses Buch zu lesen, doch ein paar Tauchabenteuer zu unternehmen.