Rezension

Zwischen zwei Kulturen

Zimtküsse - Deniz Selek

Zimtküsse
von Deniz Selek

Bewertet mit 3 Sternen

Sahra fühlt sich gefangen zwischen zwei Kulturen, denn ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater dagegen Türke. Sie kommt sich immer nur vor wie etwas Halbes, nie etwas Ganzes - irgendwie immer wie eine Außenseiterin, ob jetzt in Köln oder Istanbul. 

"Dreckstürken" sagt sie einmal, und schließt sich selber direkt in das Schimpfwort mit ein. 

Die Autorin beschreibt eindringlich und überzeugend Sahras Gefühlswirrwarr, der nur noch schlimmer wird, als sich auch noch ihre Eltern trennen und sie sich von ihrer besten Freundin verraten fühlt.

Für mich war Sahra eine sehr glaubhafte, authentische Hauptfigur, und ich fand sie auch sehr sympathisch. Ja, manchmal kann sie ein bisschen zickig sein, aber sie ist ja auch ein Teenager in einer schwierigen Situation! Da fand ich das ganz normal und auch verzeihlich.

Auch viele von den anderen Charakteren haben mir gut gefallen, wie zum Beispiel Sahras Großmutter. Diese ist noch sehr verwurzelt in alten Traditionen und mehr als nur ein bisschen abergläubisch, aber auch warmherzig, intelligent und einfühlsam genug, um Sahra genau die Anstöße zu geben, die sie in ihrem Gefühlschaos braucht.

Die Mutter kommt meiner Meinung nach zu kurz. Ich hätte gerne mehr darüber gelesen, wie es dazu kam, wie sich jetzt dabei fühlt, wie sie sich die Zukunft vorstellt...

Mir hat gut gefallen, wie viele Details über das alltägliche Leben in der Türkei die Autorin einfließen lässt; man bekommt einen lebhaften, bunten Einblick in eine ganz andere Kultur.

Sie schneidet aber auch ganz andere Themen an, von normalen Teenagersorgen bis hin zu außergewöhnlichen Problemen. Pickel, Liebeskummer, lesbische Mutter... Eine originelle Mischung, die dennoch authentisch und glaubwürdig bleibt. 

Allerdings machte die Geschichte in meinen Augen nach einem dichten, temporeichen Start erstmal eine Vollbremsung und dümpelte danach lange Zeit vor sich hin... Ich hatte den Eindruck, dass die eigentliche Handlung sich auf Anfang und Ende konzentriert, und sich die Geschichte im Mittelteil etwas zieht.

Der Schreibstil hat zwischendurch immer mal wieder leise, poetische Momente wie diesen:

Zitat:
"Langsam drehe ich meinen Kopf zur Schlafzimmertür. Sehe meine Mutter weinend auf dem Bett sitzen. Mit einer Hand die Tränen wegwischen, die unter ihren geschminkten Augen zu dunklen Schlieren werden. Schlussstriche im Gesicht." 

Gerade die Szenen in Istanbul sind oft sehr bildhaft und atmosphärisch geschrieben, und dabei kein bisschen schwülstig oder übertrieben. Ich konnte die Szenen immer gut vor meinem inneren Auge sehen!

Und dennoch ist der Schreibstil mein größter Kritikpunkt, denn so schön und poetisch er sein kann, so abgehackt und geradezu nüchtern ist er auch über lange Passagen, mit extrem kurzen, einfachen Sätzen.

Die Liebesgeschichte steht eigentlich gar nicht im Mittelpunkt, denn im Grunde geht es ja um Sahras Probleme mit ihren Eltern und ihre kulturelle Zerrissenheit. Aber ich fand sehr glaubwürdig, wie unsicher Sahra sich über ihre eigenen Gefühle ist, denn so ist das in dem Alter eben...

Richtig berühren konnte mich die Liebesgeschichte allerdings nicht; sie wirkte auch mich etwas konstruiert und vor allem das Ende wirkte auch mich zu bemüht und aufgesetzt.  

Fazit:
Eine Geschichte über ein Mädchen, das seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat - unsicher bahnt sie sich ihren Weg zwischen zwei ganz unterschiedlichen Kulturen und hat dabei noch ganz andere Sorgen. Krach mit der besten Freundin, eine Mutter, die auf einmal eine Frau liebt... Die Autorin erzählt Sahras Erlebnisse authentisch und lebensnah, mit vielen lebendigen Einblicken in die türkische Kultur.

Leider hatte ich meine Schwierigkeiten mit den oft extrem kurzen, einfachen Sätzen und der lauwarmen Liebesgeschichte, dennoch würde ich das Buch jungen Leserinnen zwischen 12 und 16 Jahren empfehlen, die gerne einmal etwas über türkische Kultur erfahren wollen oder vielleicht selber einen Migrationshintergrund haben.