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WestEnd 2016/2: Die Gegenwart der Homophobie - -

WestEnd 2016/2: Die Gegenwart der Homophobie

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Christoph Menke Breaking Bad: Versuch über die Befreiung Die Befreiung ist der Ausgang aus der Knechtschaft. Daher trifft die Befreiung auf Widerstand. Jede Befreiung ist erkämpft, jeder Akt der Befreiung ist schwer zu vollziehen. Der befreiende Bruch mit der Knechtschaft ist aber dann leicht zu verstehen, wenn die Macht, gegen die er sich richtet, eine äußere Macht ist, die Macht eines anderen, die einen beherrscht und knechtet.1 Denn Befreiung heißt hier: der Tatsache der Freiheit Anerkennung zu verschaffen. Wenn die Geknechteten sich von ihrem Herrn befreien, sind sie in Wahrheit schon frei. Der Prozess der Befreiung von äußerer Beherrschung geht von der Existenz der Freiheit der Beherrschten aus; in dieser Gegebenheit der Freiheit hat die Befreiung ihren sicheren Grund. Was aber, wenn sich nach der Befreiung vom Herrn erweist, dass die Knechtschaft kein nur äußerlich auferlegter Zustand war? Dass Knechtschaft nicht bloß heißt, einem Herrn durch Zwang unterworfen zu sein, sondern ein Knecht zu sein? Wenn sich zeigt, dass, entgegen dem Anschein, die Knechtschaft nicht bloß ein (äußeres) Verhältnis, sondern ein Zustand ist, der für sich besteht: dass es Knechte auch ohne Herren gibt? Dass also die Unmündigkeit des Knechts selbstverschuldet ist; dass sie durch den Knecht selbst hergestellt und aufrechterhalten wird? Dann kann die Befreiung nicht darin bestehen, die schon existierende Freiheit nur noch zur Geltung zu bringen. Die Befreiung muss die Freiheit vielmehr hervorbringen. Und zwar muss sie dies im Kampf gegen eine Knechtschaft, die, als selbstverschuldete und daher selbstgemachte, ja, als selbst aufrechterhaltene, die freiwillige Knechtschaft ist: eine Knechtschaft also aus Freiheit. Die Befreiung soll aus der Knechtschaft herausführen, aber es zeigt sich: Die Knechtschaft gründet selbst schon in der Freiheit. Befreiung aus einer Knechtschaft, die eine Knechtschaft durch Befreiung ist: Das ist das Paradox der Befreiung. Dieses Paradox ist zweifach lesbar. In der ersten Lesart besagt es, dass die Befreiung die Wiederkehr der Knechtschaft ist: Die Befreiung bringt die Knechtschaft, die sie bekämpft, selbst wieder hervor. Die Knechtschaft ist nicht das äußere Andere der Befreiung, sondern das Scheitern der Befreiung (oder die Befreiung im Modus des Scheiterns): ihr Scheitern, das die Befreiung selbst verschuldet hat. In der zweiten Lesart besagt das Paradox der Befreiung, dass ihr Gelingen eben deshalb nur die Wiederkehr der Befreiung sein kann. Die Befreiung setzt nach ihrem Scheitern ein und ist eben damit eine Rückkehr - eine Wiederholung der Befreiung vor ihrem Scheitern. Wenn die Knechtschaft nicht durch äußere Herrschaft hervorgebracht und aufrechterhalten wird, wenn die Knechtschaft also selbstverschuldet ist, dann richtet sich auch die Befreiung gegen sich selbst. Nach der ersten Lesart heißt dies: Sie richtet sich gegen sich selbst, weil die Befreiung eine neue, nunmehr freiwillige Knechtschaft hervorbringt. Nach der zweiten Lesart heißt es: Sie richtet sich gegen sich selbst, weil die Befreiung sich gegen ihr Scheitern neu hervorbringt, sich von sich selbst befreit. Noch einmal Knechtschaft und die Befreiung noch einmal: Diese doppelte Wiederkehr, der Knechtschaft (aus der Befreiung) und der Befreiung (aus der Knechtschaft), bestimmt unsere gegenwärtige Lage. Es ist die Lage einer Zeit zwischen Befreiung und Knechtschaft, zwischen Knechtschaft und Befreiung. Genau von dieser Zeit handelt die Fernsehserie Breaking Bad.2 Breaking Bad erzählt von den zwei letzten Lebensjahren von Walter White: von den Tagen unmittelbar vor seiner terminalen Krebsdiagnose bis zu seinem Tod, der daher von Anfang an gewiss ist und doch auf ganz andere Weise eintreten wird. Dazwischen aber kämpft Walter nicht gegen den Krebs, um sein Leben, sondern er unternimmt den Versuch, ein Leben zu führen, das allein seiner eigenen, freien Entscheidung entspringt. Darin ist Breaking Bad die Geschichte eines Befreiungsversuchs. Genauer: Es ist die Geschichte davon, wie die Befreiung versucht wird (1.) und wie und woran sie scheitert (2. und 3.), bevor sie dann, ganz am Schluss, ein zweites Mal versucht wird (4.). Breaking Bad erzählt also das Drama der Befreiung. Aber es tut dies in radikal undramatischer, ja, antidramatischer Form: Breaking Bad präsentiert das Scheitern der Befreiung als Scheitern des Dramas der Befreiung; Scheitern also in Potenz oder Scheitern des (dramatischen) Scheiterns - Scheitern am Drama. Der Akt der Befreiung scheitert in Breaking Bad, indem er ein endloses Geschehen hervorbringt, in dem es keinen weiteren freien Akt mehr geben kann; aus dem Ereignis der Freiheit wird die Serie, die potentiell unendliche Wiederholung. Breaking Bad verhandelt die dramatische Frage nach Scheitern und Gelingen der Befreiung als die Frage nach der Serialität. Entscheidend dafür, was in Breaking Bad über die Befreiung zu erfahren ist, ist daher, wie davon erzählt wird. Breaking Bad tut dies durch eine radikale Neuinterpretation der Form der Fernsehserie: Von dem Versuch, dem Scheitern und dem Neuversuch der Befreiung, lässt sich nur so, (neo-)seriell, erzählen. Allein die Aufmerksamkeit auf die Form dieses Erzählens kann daher Auskunft über das Scheitern und Gelingen der Befreiung geben.

1. Der Anfang im Bild

Nach einem Verfahren, das die Serie immer wieder verwenden wird,3 präsentiert sie den Anfang der Geschichte im Rückblick: "Drei Wochen zuvor …", lautet der eingeblendete Text, der die Erzählung des Anfangs einleitet. Das heißt, drei Wochen vor der Szene, mit der die Serie beginnt, die den Vorspann der Pilotepisode bildet und die dadurch rückwirkend als Vorgriff markiert wird: eine absurde, surreale, chaotische Szene mit einer hellen Männerhose, die vor einem klarblauen Wüstenhimmel durch die Luft segelt; einem wild dahin rasenden Wohnmobil, im Hintergrund die Sirene sich nähernder Einsatzwagen; einem nur mit einer Unterhose und einer Gasmaske bekleideten Mann auf dem Fahrersitz, neben sich einen anscheinend ohnmächtigen zweiten Mann, hinten im Laderaum zwei leblose Körper, die mit anderen Gegenständen in einer Lache hin- und hergeschleudert werden; schließlich derselbe Mann, der sich mit einer Videokamera aufnimmt und eine Aufzeichnung für seine Frau und seinen Sohn macht, in der er von ungeheuerlichen "Dingen" spricht, die er getan habe - Schnitt, Beginn des Vorspanns, suspense. Was danach als drei Wochen zuvor geschehen präsentiert wird, ist damit als Anfang eines Geschehens definiert, das so enden wird (ohne dass wir jetzt schon wissen können, wann das gewesen sein wird: am Ende dieser Folge? der ersten Staffel? der ganzen Serie, wenn sie denn jemals ein Ende haben wird?). Der Rückblick ist das Wesen jeder Erzählung. Wenn die Erzählung anfängt, ist die Geschichte schon zu Ende. Dadurch verwandelt die Erzählung das Geschehen, von dem sie handelt, in eine Vergangenheit und bringt es dadurch zugleich in eine zeitliche Sequenz. Die Erzählung definiert das Frühere als den Anfang, der so geendet haben wird, und das Spätere als das Ende, das so begonnen hat. Dieses Wesen jeder Erzählung macht der Anfang von Breaking Bad zu seinem ausdrücklichen Verfahren. Er präsentiert zuerst das Spätere, dann das Frühere und bestimmt damit, wie wir das früher Geschehene, aber später Erzählte sehen. Mit dem Rückblick geht die Erwartung einher, den Irrsinn, mit dem die Erzählung einsetzte, auflösen und erklären zu können. Der Rückblick der Erzählung verwandelt also unseren Blick, unsere Weise zu sehen: von dem ebenso überwältigten wie faszinierten Nichtverstehen, mit der wir uns dem Irrsinn der Eingangsszene überlassen, zu einer Haltung des Verstehens oder Erklärens. Der Rückblick sucht im Früheren nach Spuren, Hinweisen, Quellen, Kräften für das Kommende. Der Rückblick bedeutet einen Blickwechsel, einen Wechsel im Blick: vom selbstvergessenen Schauen zum forschenden Suchen. Und damit verändert er zugleich die Seinsweise des dargestellten Geschehens. Das Frühere ist nicht eine in sich selbst beschlossene Gegenwart, sondern ist, als erzählter Anfang, mehr als es ist: Es verwandelt sich vom Wirklichen zum Möglichen - zu dem, was das Kommende, und Weiteres, möglich macht. Der Anfang der Geschichte, auf den die Serie nach dem Vorspann zurückblickt, ist der Morgen von Walter Whites 50. Geburtstag. Über ihm steht aber wie gemeißelt die Aussage: Wie jeden Morgen … Auch der ("runde", symbolisch aufgeladene) Geburtstag ist wie jeder Tag: erst eine Fitnessübung,4 dann Frühstück, Auftritt des halb erwachsenen Sohnes, der sich wieder einmal ("zum tausendsten Mal …") über den erneuerungsbedürftigen Wasserboiler beklagt, danach die Arbeit. Und zwar in zwei Schichten: zuerst als Chemielehrer vor einer Schulklasse zwischen Langeweile und Renitenz, dann der Zweitjob am Nachmittag in einer Autowaschanlage, mit der ultimativen Demütigung, als Walter White aushilfsweise die Räder des Wagens eben desjenigen Schülers putzen muss, mit dem er sich im Unterricht angelegt hatte (natürlich wird diese Szene sogleich von der Freundin des Schülers mit dem Smartphone fotografiert und in die Welt verschickt). Am Anfang steht die Knechtschaft: finanzielle, familiäre, berufliche, soziale Enge, die sich durch das Gesetz der leeren Wiederholung reproduziert. Wenn das "Prinzip des Lebens", wie Walter White seinen Schülern zu erklären versucht, die immer erneute Verwandlung ist, dann ist dies ein Leben, das nicht lebt: die Knechtschaft der Gewohnheit. Aber auf einmal geschieht etwas; ein Bild taucht auf, das den Blick fesselt und die Imagination weckt. Auf der Überraschungsparty, die seine Frau Skyler zu Walter Whites Geburtstag veranstaltet und auf der zunächst selbstverständlich nichts Überraschendes passiert, nötigt Skylers Schwager, der Angeberpolizist Hank, die versammelten Gäste dazu, ihn in einem Fernsehbericht zu bewundern, in dem es um die von ihm befehligte Aushebung eines Drogenlabors, in dem Methamphetamin hergestellt wird, am selben Morgen geht. Man sieht zuerst die Polizisten und dann ganze Stapel von Geldscheinen, die bei der Aktion konfisziert wurden. Mit einem Mal ist Walter White hellwach. Sein Blick belebt sich, wird konzentriert, ja fasziniert; "so viel Geld", neben ein paar wenig professionell aussehenden Chemikalien und Instrumenten. Mit diesem Blick ist es geschehen. Die Gewohnheit ist durchbrochen, die Möglichkeit von etwas Anderem ist da.5 Der Blick sagt (und von da an weiß Walter White es auch): Es gibt noch etwas Anderes, etwas Neues. Fasziniert zu sein ist keine eigene Tat. Faszination, "die Leidenschaft des Bildes", ist Passivität. Faszination heißt: " […] der Blick wird absorbiert in einer unendlichen Bewegung und einem Grund ohne Tiefe." (Blanchot 2012 [1955]: 25)6 Aber gerade dadurch durchbricht die Faszination den Lauf der Gewohnheit, und es ist diese Durchbrechung, die Walter White im Folgenden zu seiner eigenen Tat nutzen wird. Er wird sie dazu nutzen, sich als ein Subjekt zu setzen. Ja, bereits diese Nutzung der durch die Faszination geöffneten Lücke ist seine subjektive, ihm als Subjekt zuzurechnende und für das Folgende entscheidende Tat. Es ist, als ob die Faszination, mit der Walter White auf die andere Welt sieht, die ihm im Fernsehen erscheint, zuletzt ihm selbst gelten würde: ihm selbst als der andere, der er in dieser Welt werden wird; ihm selbst als einem Subjekt, das handeln kann. Die Subjektivierung geschieht durch die Faszination, die nichts als die Faszination an der Subjektivierung ist. Denn genau das, ein handlungsfähiges Subjekt, ist Walter White in seinem unlebendigen Leben der Gewohnheit nicht. Sein Verhalten ist hier die bloße, mechanische Reproduktion zweier sozial definierter Rollen oder Identitäten, deren Zusammenhang ökonomisch gestiftet wird: die Identität eines jeder Autorität entkleideten Vaters in einer postpatriarchalischen kleinbürgerlichen Familie und die Identität des ebenso jeder Autorität beraubten Chemielehrers in einer öffentlichen Schule, die ihren Schülern anscheinend keinerlei Bildungs- und Karriereversprechen mehr zu geben vermag. Die Lücke, die der faszinierte Blick in eine andere Welt in diese konventionelle reißt, kann Walter White aber erst dann zu seiner ersten, wahrhaft eigenen Tat nutzen, als seine Desubjektivierung in der sozialen Knechtschaft durch eine zweite verdoppelt und gesteigert wird: die biologische Desubjektivierung durch die Hinfälligkeit seines Körpers. Dass mit seinem Körper etwas nicht stimmt, wird früh angedeutet (aber als ein Symptom, also Zeichen, erst von hinten her lesbar): in dem Husten, der Walter White zuerst bei seiner morgendlichen Fitnessübung zu schaffen macht und der dann immer wieder seine alltäglichen Verrichtungen unterbricht. Er bekämpft ihn mit Echinacin, bis er, kurz nach seinem 50. Geburtstag (all dies passiert in den ersten 20 Minuten der Pilotepisode), zusammenbricht, gegen seinen Widerstand (er ist nur sehr schlecht versichert und hat offensichtlich ein geringes Einkommen) ins Krankenhaus gebracht wird, wo ihm die Diagnose gestellt wird: Lungenkrebs im finalen Stadium, Lebenserwartung nach der Chemotherapie im besten Fall "ein paar Jahre". Wenn jemals die Krankheit eine Metapher war, dann hier: Das unmittelbar bevorstehende, unausweichlich nahende biologische Sterben ist die Metapher des sozialen Sterbens, das das Leben in der Gewohnheit nach einem Wort Hegels ist: "Der Mensch stirbt auch aus Gewohnheit […]." (Hegel 1986 [1820/1821]: 302) Der Krebs spricht: Du bist nichts als das Tier, dessen Sterben schon mit seiner Geburt begonnen hat. Deine soziale Existenz entragt nicht der biologischen Wahrheit. Die Biologie ist die Wahrheit des Sozialen, weil das Soziale unwahr ist. Der Krebs enthüllt Walter White ihre Identität: Biologisch wie sozial ist sein Leben unlebendig, eine Krankheit zum Tode. Man denkt zunächst: Das ist zu viel für Walter White. Dem Arzt, der ihm die Diagnose stellt, hört er kaum zu, seiner Frau erzählt er nichts; er scheint es zu verdrängen. Aber es ist genau umgekehrt: Für Walter White ist seine Krankheit, die Gewissheit seines Sterbens, die Chance, die alles ändert. Jetzt handelt er - zum ersten Mal in dieser Geschichte. Gegen die Wahrheit der biologischen Erfahrung, der Erfahrung, die die biologische Wahrheit seiner sozialen Existenz enthüllt: Ich bin ein Tier, das immer schon, von Beginn an stirbt; dessen Leben Sterben ist, Sterben am Krebs oder an der Gewohnheit. Gegen diese Wahrheit des Sterbenmüssens setzt Walter White die andere, subjektive Wahrheit: Ich bin ein Subjekt, das handeln kann. Und zu handeln heißt, mit der Gewohnheit, der Identität als Vater und Lehrer, zu brechen; handeln heißt neu und selbst anfangen. Der Schock der Wahrheit - mein Leben ist, biologisch oder sozial, so gut wie tot - entlädt sich in einem Wutanfall. Nach seinem faszinierten Blick auf das Fernsehbild vom Geld ist dies Walter Whites zweite emotionale Regung. Walter White verlässt die Arbeit. Er geht einfach weg. Das ist seine erste eigene Tat, sein erster Akt der Freiheit. Wie also fängt die Befreiung an? Sie fängt mit zwei Bildern an: dem Bild des Geldes und dem Bild der Krankheit, der Krankheit als Bild. Das erste Bild fasziniert Walter White: Es reißt ihn von sich los. Es öffnet ihm weniger eine andere Möglichkeit als die Möglichkeit des Anderen, ja, die Möglichkeit als das Andere der gegebenen, sich selbst reproduzierenden Wirklichkeit. Deshalb ist das faszinierende Bild ein Bild des Geldes. Denn das Geld ist reine Möglichkeit, die Möglichkeit von allem Beliebigen.7 Gegenstand und Effekt des Bildes fallen in eins. Deshalb geht es in Walter Whites Faszination für das Geld auch nicht um Gier oder Prestigedenken, um Aufstiegs- oder Sicherheitswünsche. Sie ist reine Faszination. Denn sie ist fasziniert von sich selbst, Faszination der Faszination: eine Faszination, die im Geld den Inbegriff unbestimmter Möglichkeiten sieht und durch die sich deshalb für Walter White unbestimmte Möglichkeiten eröffnen. Das zweite Bild schockiert Walter White. Es ist der Schock des Sterbens. Wie jeder Schock, so wirkt auch dieser mit zeitlicher Verzögerung (die Logik des Traumas). Der Effekt dieses Schocks ist eine radikale Selbsterkenntnis. Sie kündigt sich durch untrügliche Anzeichen an: durch das Versinken der umgebenden Welt (die Walter White unmittelbar nach der Mitteilung des Arztes nur mehr als sinnloses, dumpfes Hintergrundgeräusch wahrnimmt) und im Wissen des Nichtwissens; "keine Ahnung", antwortet Walter White auf Skylers Frage, wie es ihm geht. Denn indem, ja, dadurch, dass er es sagt, weiß Walter White von jetzt an auch, dass er keine Ahnung hat, wie er lebt, ja, dass er überhaupt lebt. Durch den Schock des Bildes, zu dem seine Krankheit für ihn wird, erwacht er aus einem Zustand der Benommenheit. Das Wesentliche des Bildes ist seine Fremdheit: nicht was, sondern wie es zeigt (oder dass es da ist). Das Bild ist eine Irrealisierung. Das gilt zuerst für den Gegenstand, den es zeigt: Der Gegenstand im Bild ist dadurch irreal. Es gilt aber dadurch zugleich für die Welt desjenigen, dem das Bild erscheint. Denn indem das Bild den Gegenstand irrealisiert, unterbricht es die gewohnten Umgangsweisen mit ihm. Der "Zweck […] der Bildlichkeit […] ist die Übertragung eines Gegenstandes aus seiner normalen Wahrnehmung in die Sphäre der neuen Wahrnehmung." Das Bild schafft "eine vom Automatismus [der Gewohnheit] befreite Wahrnehmung". Das gilt für das Bild, sofern es (wie Aristoteles für das gelungene dichterische gefordert hat) "den Charakter des Fremdländischen, Erstaunlichen" hat. (Sklovskij 1971 [1916]: 31)8 Dazu bedarf es nicht eines Bildes vom "Fremdländischen, Erstaunlichen". Befremdend ist das Bild vielmehr dadurch, wie es ist, wenn es überhaupt als Bild wahrgenommen wird. Dann ist das Bild erneuernd (eine Aufweckung oder sogar "Auferweckung" (Sklovskij 1972 [1914]: 3-17)). Denn dann unterbricht das Bild die "wiedererkennende" Wahrnehmung des "automatisierten" Sehens der Gewohnheit. Es desautomatisiert die Wahrnehmung, es unterbricht den gewohnten Lauf der Welt. Mit der Befremdung durch das Bild beginnt die Befreiung des Subjekts.

2. Walter Whites Fehler

Sehen, Weggehen: So beginnt Walter Whites Befreiung. Was tut Walter White, nachdem er gesehen hat und weggegangen ist? Er tut das Naheliegende (oder Vernünftige): Er denkt nach.9 Bis er sich plötzlich entscheidet: Er entscheidet sich, das Angebot seines Schwagers Hank anzunehmen, ihn auf einer seiner Razzien gegen ein Drogenlabor zu begleiten. Dass er da schon weiß, was er will (auch wenn er natürlich nicht wissen kann, dass sich sein Ex-Schüler Jesse Pinkman als der nur halbbegabte Drogenkocher erweisen wird, dem er zur Flucht verhilft, um dann über ihn und mit ihm ins Geschäft einzusteigen), zeigt eine kurze Antwort auf eine Bemerkung Hanks: Walter White kennt sich bereits aus, hat sich bereits kundig gemacht, wie genau man Methamphetamin chemisch herstellt. Damit beginnen wir zu ahnen, wozu sein Nachdenken geführt hat: zu einer Entscheidung darüber, was er, befreit von seiner alten Gewohnheit und Identität, tun will. Das ist die Entscheidung, mit der die Fernsehserie erst einsetzt. Bisher war die Erzählung noch gar nicht seriell. Erst Walters Entscheidung bringt ein Handeln hervor, von dem nur in der Form der Serie erzählt werden kann; Walters Entscheidung serialisiert sein Handeln. Diese Entscheidung wird von Walter White im Folgenden, vor allem Skyler gegenüber, also in der Intimität der Familie, immer wieder gedeutet und gerechtfertigt. In Kurzform lautet diese Rechtfertigung so, dass Walter White sich entschieden hat, sein Wissen als Chemiker nicht länger an gelangweilte Schüler zu verschwenden, sondern dazu zu nutzen, in das Drogengeschäft einzusteigen, um damit das Geld zu verdienen, mit dem er seine Krebsbehandlung bezahlen und seine Familie nach seinem Tod finanziell absichern kann (da die amerikanische Mittelklasse dies durch ehrliche Arbeit anscheinend nicht mehr leisten kann). Man kann dann darüber streiten, ob diese Entscheidung berechtigt, gar notwendig war; die Zuschauer der Serie haben das mit Hingabe und Ernsthaftigkeit getan - so als wären sie selbst ein Mitglied der Fernsehfamilie, säßen mit im Wohnzimmer der Whites und könnten durch ihre Argumente, mit denen sie Walter angreifen oder entschuldigen, in den Lauf der Dinge eingreifen.10 Aber selbst wenn man Walter White noch so harsch kritisiert, unterliegt man damit nur genau derselben Verblendung wie er selbst. Man versteht überhaupt nicht, weshalb diese Entscheidung der Ursprung einer Logik der Wiederholung ist, die die Serie über 62 Episoden entfalten wird. Man übersieht über dem moralischen Engagement das Gesetz der Serie. Dieses Gesetz besagt, dass es keine (weitere) Entscheidung geben kann. Walter Whites Entscheidung ist paradox; sie ist eine Entscheidung zu einem Leben ohne Entscheidung. Neues, einen radikalen Bruch mit dem Alten, gab es in der Serie nur ein Mal: an ihrem Anfang. Von da an gibt es nur Wiederholungen; genauer: Handlungen, die die Grundentscheidung immer wieder verwirklichen und damit bestätigen. Die Frage nach Walter Whites Entscheidung ist daher nichts anderes als die Frage nach der Möglichkeitsbedingung der Serie selbst. Woraus entspringt die Serie? Was bringt sie hervor? Die Radikalität von Breaking Bad liegt darin, dass sie nicht schon als Serie beginnt, sondern von der Entstehung der Serienform des Erzählens selbst erzählt. Dazu führt Breaking Bad in ihrer Pilotepisode an die Schwelle der Serie zurück. Das ist der Punkt vor der Serie, an dem sie aus der Tragödie entspringt. Die Tragödie ist die Form, die von dem Einschnitt der freien Tat erzählt, die in ihrer Unbedingtheit - der Unbedingtheit, mit der sie sich eine bestehende Handlungsform aneignet, sie zu ihrer eigenen macht: Ödipus' Exzess des Urteilens11 - notwendig scheitert. Die freie Tat ist der "große Fehler" (Aristoteles), durch den das Subjekt der Tragödie, das deshalb heroisch heißt, sich selbst zerstört. Das tragische Schicksal ist daher die paradoxe Verkörperung der freien Tat. Breaking Bad ist die untragische Wiederholung dieser Struktur: Auch sie setzt ein mit der Tat der Freiheit, die das Bestehende durchbricht. Diese Tat bringt jedoch nicht mehr die Gewalt einer endgültigen, aber darin zugleich wahren Selbstzerstörung hervor - einer Selbstzerstörung also, in der sich die Freiheit ausdrückt, ja, bewahrt -, sondern, im Gegenteil, den Zwang einer ebenso endlosen wie leeren Selbstwiederholung. Das ist die Serienform, das serielle Erzählen von der Serialität des Handelns. Sie ist in Breaking Bad nicht gegeben, sondern wird in ihrer Hervorbringung gezeigt: Die Serialität des Handelns und Erzählens ist untragisches Schicksal des Wiederholungszwangs, den die freie Entscheidung hervorbringt. Die Serienform ist die objektive Parodie der Ironie des tragischen Schicksals. Die Freiheit scheitert untragisch: indem immer weiter dasselbe wiederholt - getan und erzählt - werden muss. Deshalb kann die Frage nach Walter Whites Entscheidung, die zu beantworten ist, nicht lauten, wie diese Entscheidung moralisch zu bewerten ist: was für und gegen sie spricht, ob sie verurteilt werden muss oder entschuldigt werden kann, ob sie die Schlechtigkeit von Walter Whites Charakter ausdrückt oder aus der Not geboren und daher vielleicht doch gerechtfertigt ist, usw. Die Frage lautet vielmehr, welche Art von Entscheidung Walter White hier trifft und wie sie die Form des weiteren Handelns und Geschehens festlegt: Wie kommt Walter White nach der Erschütterung seiner alten Gewohnheit und Identität zu einer Entscheidung? Und weshalb bewirkt diese Entscheidung ein Geschehen, das die Logik der Serie, also der Wiederholung hat? Walter Whites Entscheidung besteht darin, sich seinem - sozialen wie biologischen - Sterben zu widersetzen, indem er seinem Leben ein Ziel gibt. Während sein Leben bisher bloß ein Ende hatte, ein bloßes Sein zum Ende war, setzt er ihm nun ein Ziel. So macht er sich zum Subjekt, das sein Leben führt. Die Bestimmung dieses Ziels lautet - siehe oben -, Geld für die Familie zu beschaffen; der Weg zu diesem Ziel ist die Betätigung in der Drogenproduktion (dazu unten, 3.). Nichts könnte trivialer sein als dies: Das Ergebnis von Walter Whites Selbstbefreiung ist, sich genau das Ziel zu setzen, das alle seine Nachbarn in Albuquerques Mittelstandsvororten auch haben - oder zu haben behaupten würden. Die Geldvermehrung als Tugend des Familienvaters ist der oikonomisch-ökonomische Komplex im Zentrum ihres Selbstverständnisses. Aber indem diese Selbstverständlichkeit hier als das Ergebnis einer ausdrücklichen Entscheidung dargestellt wird, nach dem Ausbruch aus der Gewohnheit und einem langen Nachdenken über die neue Lage, wird dieser Komplex in seine Elemente zerlegt und in seinen Voraussetzungen erkennbar. Das gilt zunächst für den Inhalt von Walter Whites Zielsetzung. Denn das Geld, dessen Beschaffung er sich vornimmt, ist ein Ziel eigentümlicher Art. Walter White strebt nicht nach einem Gut (oder Guten), sondern er strebt nach einem Vermögen. Während Güter Zwecke in sich selbst sind, ist ein Vermögen eine Macht - Mittel, Ressourcen, Fähigkeiten, usw. -, durch deren Gebrauch man ein Gut herstellen oder etwas Gutes verwirklichen kann. Walter White entscheidet sich also nicht dazu, sein Leben an einem Gut auszurichten, sondern es darauf zu verwenden, ein Vermögen zu beschaffen, das für weitere Verwendungen von Wert ist; sein Ziel ist kein Zweck, sondern die Möglichkeitsbedingung von Zwecken, die er ökonomisch definiert: Der Inbegriff werthaltiger Vermögen ist das Geld. Einen Wert hat etwas nicht an sich selbst, sondern für jemanden.12 In Walter Whites Zielbestimmung ist dieser jemand nicht er selbst. Walter will die Geldbeschaffung nicht für sich, sondern für die Familie. Der Werteschaffende und der Wertbeurteilende sind hier nicht derselbe. Aber doch verbunden: Indem Walter White sich das Ziel setzt, ein Vermögen für die Familie zu schaffen, legt er zugleich für die Familie fest, dass dies für sie von Wert ist oder sein wird. Er wertet stellvertretend für sie. Und definiert damit zugleich seine eigene Identität: was oder wer er ist. Er ist der Stellvertreter der Familie, der in der Gegenwart repräsentiert, was sie in Zukunft brauchen und wollen wird. Damit zeigt sich, worum es in der Arbeit für die zukünftige ökonomische Existenz der Familie geht: Es geht für Walter White darum, sich als Glied eines Zusammenhangs hervorzubringen, der ihn überdauern wird; eine Identität zu gewinnen, die seinem Ende entgegengesetzt ist, weil er in der Arbeit für die Fortexistenz der Familie seine eigene Fortexistenz sichern kann. Aus der Erhaltung oder Verwirklichung dieser Identität gewinnt seine neue ökonomische Tätigkeit ihren Antrieb. Deshalb führt der befreiende Weggang aus der einen Arbeit unmittelbar zur Aufnahme einer neuen: der immer schmutzigeren, gewaltbereiten Arbeit für immer mehr Geld für ein immer noch besseres Leben der Familie in einer Zukunft, die mit seinem Tod beginnen wird. Die ökonomische Tätigkeit, die Walter Whites Entscheidung hervorbringt, unterliegt einer repetitiven Dynamik, die im Folgenden zu skizzieren ist; es ist nichts anderes als die Dynamik der Serialität. Zuvor aber gilt es festzuhalten, wie Walter Whites zielsetzende Entscheidung im Rückbezug auf den befreienden Bruch der Gewohnheit erscheint, der dieser Entscheidung vorherging und sie überhaupt erst möglich machte. Die Entscheidung ist eine Wertsetzung aufgrund einer Identitätsfestlegung. Worauf begründet sie sich? Die Entscheidung drückt ein Wissen aus: das Wissen darum, wer Walter White wahrhaft ist und was er daher wahrhaft will. Damit ist klar, worüber (oder genauer: wie) Walter White nachgedacht hat, als er am Pool seines Gartens Streichholz um Streichholz entzündete: Sein Nachdenken galt dem Gewinn von sicherem Wissen. Es liegt nahe zu vermuten, dass dies aufgrund der beiden Bilder geschieht, die ihn gerade zuvor fasziniert und schockiert haben.13 Wenn es ein Nachdenken ist, das in jene identitätsfestlegende Wertsetzung münden soll, muss Walter White also glauben, in jenen Bildern die Wahrheit über sich selbst finden zu können. Während die Faszination und der Schock "uns unsere Fähigkeit [entziehen], einen Sinn zu geben" (Blanchot 2012 [1955]: 25), macht Walter Whites Entscheidung rückwirkend die Bilder zu Zeichen, in denen er sich selbst als ihre verborgene Bedeutung lesen kann. Der Schock des Sterbenmüssens erschließt die wahre Identität als Glied des ihn überdauernden Familienzusammenhangs; die Faszination durch das Geld als reine, unbestimmte Möglichkeit enthüllt jetzt den Wert des Vermögens. Walter White semiotisiert die Bilder; sie müssen ihm sagen, wer er ist und was er will, was seine Identität und daher seine Werte sind. Aristoteles hat von dem "großen" Fehler, durch den das Leben der tragischen Helden und Heldinnen sich ins Unglück wendet, gesagt, dass er nicht in der "Schlechtigkeit und Gemeinheit" ihres Charakters besteht, sondern "eine Art Irrtum" ist. (Aristoteles 1982: Kap. 13) Es ist ein Irrtum in der Weise ihres Urteilens. Ebenso besteht Walter Whites alles entscheidender Fehler darin, wie er sich selbst deutet; wie er sich im Nachdenken über sich selbst seinen Schrecken und seine Faszination zurechtlegt: als Medien des Wissens über das, was er wahrhaft will - worin seine Identität und daher seine Ziele bestehen. Der Kern seiner Entscheidung ist die Semiotisierung seiner Faszination und seines Schocks, durch die er ihre befreiende, desautomatisierende Kraft verstellt, ja sich selbst dieser Kraft beraubt. Walter Whites Fehler ist ein Kategorienfehler: Er identifiziert die Öffnung des Gegebenen zur Möglichkeit, in der die Faszination und der Schock die soziale Gewohnheit unterbrechen, mit der Erschließung einer tieferen, wahreren Gegebenheit; er besetzt das Nichts, die Leere und die Unbestimmtheit, im Zentrum der Bilder, die ihn faszinieren und schrecken und dadurch befreien, mit Etwas, einer Bestimmung, die ihm einen sicheren Grund und eine eindeutige Richtung geben sollen.14 Walter Whites Fehler ist seine mauvaise foi - seine Unaufrichtigkeit, der Mangel an Mut, seinem Schrecken und seiner Faszination zu folgen. Dass Walter Whites Fehler seine mauvaise foi ist, besagt, dass er sich durch seine Entscheidung, für Familie und Geld, für das Geld für die Familie, in das Drogengeschäft einzusteigen, selbst vergisst. Seine zielsetzende Entscheidung beruht auf einer Selbstfestlegung, die sich selbst dementiert. Sie ist die Festlegung einer Identität, die das Selbst der Festlegung ignorieren, ja verdrängen muss. Denn das Selbst ist frei oder befreit; das Selbst, das durch seine Faszination und seinen Schrecken aus seiner Gewohnheit herausgesprengt wurde; das Selbst als Sitz oder Ort der Negativität. Walter Whites großer, alles entscheidender Fehler - der Fehler, den er in seinem Nachdenken begeht, das in die Entscheidung mündet - besteht in der Setzung einer Bestimmung, die die befreiende Negativität vor allem Setzen - die Negativität, die das Setzen voraussetzt - verdeckt und zunichtemacht. Das bedeutet "breaking bad": "Breaking bad" heißt nicht, das Schlechte zu tun. Sondern schlecht zu tun, Tun auf schlechte Weise: so zu tun, als würde man nicht tun; Tun als Verwirklichung und Erhaltung des Eigenen, nicht als Freiheit der Tat. Das ist die Entscheidung, durch die Walter White sich sein Schicksal bereitet: ein Schicksal, das in nichts anderem besteht, als zur Figur einer Serie - zu einer Figur, deren Leben sich nur als Serie erzählen lässt - zu werden. Oder die Figur einer Serie zu sein heißt, unaufrichtig zu sein. Die Serie ist die (Handlungs- und Erzähl-)Form der Unaufrichtigkeit; die Form einer Subjektivität, die in ihrem Wollen und Tun die Befreiung verdrängt, durch die sie allererst möglich wurde.

3. Das Gesetz der Serie

Mit Walter Whites Entscheidung in der Mitte der ersten Episode beginnt die Serie; es beginnt das Erzählen in der Form der "Neuen Serie". Die Grundstruktur der Fernsehserie, in der bereits eine ältere Kritik (Adorno, Anders, Cavell) die des Fernsehens selbst erkannt hatte - das Prinzip des Darstellens im Fernsehen ist die Serialität -, besteht in der Wiederholung einer identischen Formel.15 Diese Wiederholung ist die Bedingung der Intelligibilität des seriellen Erzählens. Wir verstehen die Geschichte, die in der Form der Serie erzählt wird, nicht, indem wir sie als eine Entwicklung auf ein Ende hin deuten oder auf einen verborgenen Ursprung zurückführen, sondern indem wir das Grundmuster - den Verhaltenstypus einer Person, eine Konstellation mehrerer Personen, das Funktionieren eines sozialen Zusammenhangs usw. - erkennen, das sich in allen Episoden der Serie identisch wiederholt; solange, bis sich die Formel erschöpft hat und die Serie zum Ende kommt. Die Erzählweise der Neuen Fernsehserien unterscheidet sich von diesem alten Muster, indem sie den Vollzug des seriellen Erzählens so durch- und vorführt, dass es als die riskante Variation seiner Grundformel sichtbar wird. Wiederholen heißt variieren. Denn die eine Grundformel muss in immer anderen Kontexten, mit immer anderen Materialien wiederholt werden. Dadurch erscheint die Grundformel aber nicht nur in jeder Wiederholung immer anders; das galt eingeschränkt auch schon für die alte Serie. Die Wiederholung wird vielmehr zum Akt des Wiederholens, der stets erneut in Anknüpfung ans Vergangene und im Ausgriff auf die Zukunft geleistet werden muss. War die identische Formel in der alten Serie ein vorgegebener, gesicherter Grund, so wird sie in der Neuen Serie zu einem erst herzustellenden, stets wieder hervorzubringenden Effekt. Das serielle Wiederholen wird reflexiv; es wiederholt sich selbst, die Wiederholung gilt der Hervorbringung der Formel der Wiederholung. Das ist die Form der Serie, die Breaking Bad mit Walter Whites Entscheidung beginnen lässt, für den Wert "Geld für die Familie" tätig zu werden. Durch seine Entscheidung macht er sich zu einem Subjekt, das nur die Figur einer Serie sein kann; er gibt seinem Leben die Form einer Fernsehserie. Walter Whites Entscheidung unterwirft sein Handeln dem Gesetz der Serialität. Dadurch reproduziert sich - oder: reproduziert er - in seinem Handeln, aber auf ganz neue Weise, die Knechtschaft der Gewohnheit. Genau darin ist Breaking Bad eine Analyse der Gegenwart: Die Serie zeigt, wie die Befreiung in Gewohnheit, und zwar: durch nichts als die eigene Entscheidung, umschlägt. Das soll in diesem Abschnitt zunächst in einem Aspekt knapp und in seiner abstrakten Struktur skizziert werden: der Struktur des ökonomischen Handelns, in dessen Zentrum die Frage und Dynamik der Macht steht. Entscheidend für die Analyse der Gegenwart der Befreiung in Breaking Bad - so ist sodann im folgenden Abschnitt zu zeigen (4.) - ist jedoch, dass diese erste Erfahrung der Serialität durch eine zweite, gegenläufige durchkreuzt wird: Breaking Bad exponiert die Logik der seriellen Wiederholung als Kreuzungsfeld zweier einander ebenso radikal entgegengesetzter wie zugleich miteinander verwobener Logiken. Indem Walter White durch die Form seiner Entscheidung sein Handeln dem Gesetz der Serialität unterwirft, definiert er es als ökonomisches; Serialität ist das Gesetz seines ökonomischen Handelns oder das ökonomische Gesetz seines Handelns. Der Inhalt von Walter Whites Entscheidung lautet, nach geschäftlichem Erfolg zu streben, in der Arbeit für die zukünftige Existenz seiner Familie, nach seinem, Walter Whites, Ende. Dabei geht es aber nicht darum, durch diese Arbeit ein Gut zu erreichen oder zu verwirklichen, in dem die Tätigkeit sich erfüllt und daher aufhören kann. Walter Whites ökonomische Tätigkeit ist modern, also ziellos. Sie hat kein Ziel, außer ihrer Selbstfortsetzung. Denn nur in ihrer Fortsetzung verwirklicht er seine Identität: Nur solange er dem ökonomischen Wert "Geld" folgt und darin den Wert bekundet, den die Familie für ihn hat, hat er eine Identität, die er dem Schock seines Sterbenmüssens entgegensetzen kann. Seine Identität als dasjenige Glied der Familie, das den Zusammenhang, dessen Teil er ist, zugleich über seine eigene Existenz hinaus sichert und erhält, bekundet sich allein in der schlechten Unendlichkeit der Wiederholung, des immer selben ökonomischen Strebens. Damit zeigt sich: Die Setzung seines eigenen Ziels und die Bestimmung seiner Identität in Walter Whites freier Entscheidung bringen genau die Struktur des Sozialen als Gewohnheit wieder hervor, aus der ihn seine Faszination und sein Schrecken für einen Augenblick befreit hatten. Denn die Gewohnheit ist eine Regel des Verhaltens, die jeder einzelne Zug in abstrakter Identität wiederholt; jeder neue Zug ist ein bloßer "Abklatsch" (Gilbert Ryle) seiner Vorgänger, von Anfang an schon alt. Gewohnheitsmäßiges Verhalten ist die immer gleiche Wiederholung einer identischen Allgemeinheit. Walter Whites Befreiung führt ihn von der einen in die andere Gewohnheit: Kaum ist er der einen Arbeit entkommen, steckt er schon im Mechanismus der anderen. Nur dass diese neue Gewohnheit, die Gewohnheit der neuen Arbeit, nun seine wahrhaft eigene ist: die seine eigenen Werte, weil seine wahre Identität ausdrückt. Und dadurch ist seine neue Gewohnheit zugleich ganz anders als die alte; sie ist der Gegenstand, der Inhalt und Effekt, einer Serie neuer Form. Sie funktioniert daher anders; sie erscheint anders, fühlt sich anders an. Die alte Gewohnheit erschien erst uns, dann Walter White selbst als ein "Mechanismus" (Hegel), der von selbst, ohne sein (und unser) Zutun, abläuft. Hier bedurfte es gar keines Subjekts (oder das Subjekt war schon lange tot: gestorben an seiner Identität). Die neue Gewohnheit dagegen braucht das Subjekt; sie nimmt Walter White als ein Subjekt in Anspruch, das sich dem Zwang der Wiederholung selbst unterwirft, ja, diesen Zwang selbst hervorbringt und ausübt. War die Serialität der alten Gewohnheit mechanisch, ihre Wiederholung selbstreproduzierend, so ist die Serialität der neuen Gewohnheit aktiv oder subjektiv; sie vollzieht sich nur durch die beständige, aktive Mitwirkung des Subjekts. Das ökonomische Handeln, von dem die traditionelle Serie erzählte, war institutionell oder disziplinär bestimmt - so wie Walter White als Chemielehrer habituell die institutionellen Vorgaben reproduzierte. (Einmal gleich am Anfang sehen wir Walter White bei der Aktivität, die diese disziplinäre Struktur der Institution emblematisch zum Ausdruck bringt: beim Bewerten von Prüfungsleistungen.) Walter Whites neue Arbeit, die er durch seine freie Entscheidung aufnimmt, die Arbeit im Drogengeschäft, ist gewiss nicht weniger zwanghaft: Weshalb sonst kann er sie nicht aufgeben, selbst als ihm die Diagnose gestellt wird, er sei geheilt? Aber dass er sie nicht mehr als Angestellter, sondern als wahrhaft postfordistischer Selbstunternehmer ausübt, bedeutet, dass er nun auch selbst dafür verantwortlich ist, den Fortbestand, das Funktionieren der Gewohnheit zu sichern. Die Entsubjektivierung in der Gewohnheit wird zur Eigenverantwortung des Subjekts. Gewohnheiten funktionieren so, dass sie eine "aus der Wiederholung vieler Einzelheiten durch Reflexion hervorgebrachte abstrakte Allgemeinheit" verwirklichen. "Das auf die einander äußerlichen Einzelheiten bezogene Allgemeine ist aber das Notwendige."16 Das bedeutet, dass das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem in der Gewohnheit ein Verhältnis der Macht, kein Verhältnis der Freiheit ist: Die "Formtätigkeit" - die Bildung der Form in der Vereinigung von Allgemeinem und Besonderem - geschieht hier als die "Macht der Notwendigkeit" (Hegel). Das Wiederholen in der Gewohnheit ist eine Formtätigkeit, die das Allgemeine in dem Besonderen durch Machtausübung, daher im Modus der Notwendigkeit, verrichtet. Wie jede Machtausübung ist das Wiederholen deshalb niemals gesichert. Macht heißt Hemmnis und Widerstand; Macht bedeutet Gegenmacht. War diese Macht, damit die Sicherung des Immerweiter in Walter Whites alter Gewohnheit institutionell garantiert, so ist nun ihre Ausübung, ja, schon ihre Herstellung Walter Whites eigene Aufgabe. In der neuen Ökonomie der Neuen Serie wird die Hauptfigur wahrhaft zum Subjekt der Gewohnheit: zu der Instanz, die die Macht des Allgemeinen über sich, damit den Zwang der Wiederholung, selbst ausübt. Deshalb muss Walter Whites Handeln, je weiter er sich in dessen ökonomische Logik verstrickt, reflexiv werden: An die Stelle des ökonomischen Erfolgs tritt die Sorge um den Erhalt und die Steigerung von dessen - subjektiven und objektiven - Bedingungen. Die Sorge, "eine Geisteskrankheit, die der kapitalistischen Epoche eignet" (Benjamin 2003 [1991]: 17), gilt den Vermögen, die die Macht zum Gewinn weiteren Vermögens bedeuten. Walter White arbeitet nicht mehr nur für seinen ökonomischen Erfolg, durch den er seine Familie, und sich als deren Glied, erhalten will. Er arbeitet nun vor allem daran, für seinen ökonomischen Erfolg arbeiten zu können: an der Sicherung der Mittel, der Bedingungen - vor allem: der Sicherung des eigenen Überlebens. Die Arbeit für die zukünftige Erhaltung der Familie wird verdrängt durch die Sorge um die eigene Sicherheit hier und jetzt. Walter White wird von einem Spieler zum Fanatiker der Selbsterhaltung. Die Todesangst vor dem Krebs,17 auf die er einmal durch einen Akt der Freiheit, den Bruch mit der Gewohnheit der Arbeit reagierte, kehrt im Inneren des neuen ökonomischen Zusammenhangs wieder, den Walter White selbst errichtet hat und daher auch alleine aufrechterhalten muss. In dessen Abhängigkeiten ist er ausweglos verstrickt. Selbsterhaltung bedeutet hier Selbstüberforderung: eine Verschuldung, die nie mehr ausgeglichen werden kann. Zuletzt glaubt Walter White daher, seine eigene Erhaltung nur noch durch die Zerstörung des Lebens anderer sichern zu können. Die Macht der Selbsterhaltung manifestiert sich als Gewalt gegen andere. Das letzte Mittel der Selbsterhaltung ist das unsicherste: Die Sorge um seine Selbsterhaltung treibt Walter White zum Pakt mit der Aryan Brotherhood. Breaking Bad zeigt die Hervorbringung der Gewohnheit aus der Befreiung: die Restitu­tion und Rekonfiguration der Gewohnheit durch eben den befreienden Akt, der mit ihr gebrochen hatte. Die Serie zeigt, wie die Gewohnheit aus Freiheit selbst gemacht wird; sie führt an den Punkt zurück, an dem die - also: jede - Gewohnheit aus Freiheit hervorging.18 Und sie zeigt, wie die Gewohnheit sich dadurch in ihrem Prozessieren grundlegend verändert, ohne ihre Knechtschaft zu verlieren. Die Gewohnheit wird abstrakt: Die Macht der Gewohnheit erzwingt nicht mehr die mechanische Wiederholung bestimmter, vorgegebener Handlungsfolgen, sondern allgemeiner Handlungsmuster, ja, eines einzigen abstrakt allgemeinen Handlungstriebs: die Behauptung der eigenen Identität im ökonomischen Erfolg. Dadurch wird die Gewohnheit, indem sie abstrakt wird, zugleich subjektiviert; sie wird zur Sache des Subjekts. Die Macht der Gewohnheit über das Subjekt ist dessen eigene Verantwortung. Das ist die Logik der Selbstüberforderung, die sich in Breaking Bad als Iteration der Sorgen entfaltet: Das Subjekt muss jetzt selbst dafür sorgen, das sein zu können, was es sein muss.

4. Die Wiederholung durchqueren

Mit Walter Whites identitätsbestimmender Entscheidung in der Mitte der ersten Episode beginnt die Zeit der Serie; es beginnt das Erzählen in der Form der Serie. Es endet mit Walter Whites Selbsterkenntnis, die er in der Mitte der letzten Episode Skyler gegenüber aussprechen wird. Breaking Bad setzt das serielle Erzählen in Klammern. In Breaking Bad wird das serielle Erzählen nicht nur praktiziert, sondern reflektiert. Es wird vorgeführt, wie es beginnt und wie es wieder endet; genauer: wie es hervorgebracht und wodurch es überschritten wird. Wenn die neue von der alten Serie unterscheidet, das Muster der Wiederholung nicht voraussetzen zu können, sondern in sich selbst immer wieder neu hervorbringen zu müssen, so gilt dies auch für die Form der Serie selbst. Der Neuen Serie ist ihre Form, die Form des seriellen Erzählens, nicht vorgegeben und deshalb einzuhalten, sondern steht in der Serie selbst zur Verhandlung. Der Prozess der Serie macht der Serie den Prozess. Deshalb ist der Neuen Serie nicht nur ihr Anfang, sondern auch ihr Ende nicht äußerlich, sondern immanent. Breaking Bad endet nicht wie alte Serien aus Erschöpfung, sei es der Zuschauer, Teilnehmer oder Produzenten, sondern durch die Selbstüberwindung der Serialität. Wiederum entspricht darin die Form des Erzählens dem, von dem es erzählt: der Selbstverwandlung des Walter White. Die Serien des Erzählens und des Handelns kommen in einem, demselben Punkt zum Ende. Das ist der Punkt, an dem Walter White sich selbst erkennt, genauer: seine mauvaise foi in einem Sprechakt, gegenüber Skyler, bekennt und damit durchbricht; der Punkt also einer zweiten Befreiung: seiner Befreiung aus der neuen Welt des ökonomischen Schicksals, die er durch seine erste Befreiung geschaffen hat. Die Serie endet mit Walter Whites Selbstbefreiung aus der selbstgeschaffenen Welt seiner zweiten Knechtschaft. Wie geschieht das und wohin führt es? Der Gehalt der Selbsterkenntnis, durch die Walter Whites Befreiung geschieht, ist eine ästhetische Erfahrung. So jedenfalls bestimmt sie Walter White bei seiner letzten Begegnung mit Skyler, die die Kamera aufs kunstvollste (und wiederum, wie so oft in dieser Serie, an der Grenze zur ironischen Übertreibung) als eine Szene der Blicke, der Verdeckungen und des Hervortretens arrangiert. Nachdem Skyler endlich einmal sagt, was die Zuschauer schon lange empfinden - dass sie es nicht mehr ertragen könne, wenn Walter beteuert, er habe alles nur für die Familie getan -, folgt in vier sich steigernden, der Wahrheit immer näher rückenden, sie radikalisierenden Sätzen Walter Whites befreiendes Bekenntnis: "I did it for me. I liked it. I was good at it. I was alive." Es ist der letzte dieser vier Sätze, durch den sich alles ändert: das Eingeständnis, dass er immer weiter gemacht hat, nicht weil es ihm nur um die Familie ging; aber auch nicht, weil er in der Arbeit für die Familie den wahren Wert und damit seine wahre Identität sah. Sondern weil er sich darin lebendig fühlte und weil man gerade dann lebendig ist, wenn man nicht tut, was man (wahrhaft) will - wenn es nicht mehr um die eigene Identität geht. Walter White durchbricht seine mauvaise foi. Er befreit sich, das heißt, er befreit seine Befreiung aus der Hülle der Zielsetzungen und Identitätsbestimmungen, in der er sie festgelegt hatte, indem er anerkennt, dass sie in Wahrheit in der Ermöglichung von Lebendigkeit besteht. Der Begriff der Lebendigkeit, den Walter White hier verwendet, erfährt in der Erzählung zuvor eine klare Bestimmung. Es ist die Bestimmung des ästhetischen Begriffs des Lebens - die Bestimmung der Lebendigkeit in der modernen Ästhetik. Die Ästhetik bezeichnet als lebendig eine spezifische Art der Fortsetzung oder des Vollzugs. Lebendig ist ein Vollzug, sofern er nicht die bloße Wiederholung eines gegebenen Musters, ja, sofern er gar nicht durch die Erfüllung eines Zwecks oder einer Funktion bestimmt ist. Lebendig ist vielmehr ein Vollzug, der in jedem Moment über die soeben erreichte Bestimmung hinausgeht. Ein lebendiger Vollzug ist die Entfaltung einer Kraft, die sich ausdrückt und jeden ihrer Ausdrücke im selben Moment wieder auflöst und überschreitet. Der lebendige Vollzug ist demnach der Vollzug permanenter Verwandlung (von der nach Walter Whites präzise romantischer Definition das Wissen der Chemie handelt19). Darin ist Verwandlung ein Prozess, der mit der Hervorbringung einer Bestimmung beginnt, durch die Aussetzung - Negation - von Bestimmtheit hindurchführt und daraus eine neue Bestimmung hervorbringt. Die Verwandlung ist daher die Erneuerung, Verjüngung, von Bestimmungen im Durchgang durch die Unbestimmtheit, die Nichtung jeder Bestimmung. Die Lebendigkeit als der ästhetische Zustand der Erneuerung ist der Effekt der Einschreibung des Nichts in die Bestimmung. Die Lebendigkeit ist mithin ein Effekt des Todes oder der affirmative Vollzug der Sterblichkeit (nur der Sterbliche ist lebendig). Dass er lebendig war, als er sich in den neu geschaffenen ökonomischen Abhängigkeiten zu erhalten versuchte, ist die befreiende Entdeckung, die Walter erst spät macht. Die Erzählung hat dies in der Form, in der sie sein Leben erzählt, schon von Anfang an gewusst; denn die serielle Erzählung ist selbst ein Ausdruck ästhetischer Lebendigkeit. Wenn die Serialität von Walter Whites ökonomischem Handeln darin besteht, dass er immer nur von A nach A oder bestenfalls A' kommt, und das Wiederholungsgesetz der Neuen Serie und Ökonomie darin besteht, dass er dies unter Einsatz all seiner Kräfte selbst leisten muss und sich dabei niemals gewiss sein kann, dass er dies kann - dann besteht die Dialektik oder Ironie der neo-seriellen Erzählweise darin, zu zeigen, dass Walter White von A nach A', ja, selbst auch von A nach A nur zu kommen (und dadurch am Leben zu bleiben) vermag, indem er dazwischen immer wieder etwas ganz Neues erfindet: Walter White überlebt nur, weil er lebendig ist - als "Heisenberg". Das ist die entscheidende, neue Erfahrung des Neuen, die die Erzählung durch ihre Form erschließt und der sich Walter White in seiner späten Selbsterkenntnis bewusst wird. Lorenz Engell hat sie prägnant auf den Punkt gebracht: "Das Neue, so lässt sich ›Breaking Bad‹ zusammenfassen, liegt nicht jenseits des Bekannten, und nicht im Gegensatz zu ihm. Das Bekannte erodiert hier vielmehr immer weiter zugunsten des Neuen. Obschon das Ende das sicherste überhaupt sein wird, nämlich der Tod, wissen wir, genau wie der Held, dennoch nicht, was wir erwarten sollen. Wir können uns auf gar nichts mehr verlassen und daher auch nicht mehr unterscheiden zwischen dem Bestätigen der Erwartung und ihrer Durchbrechung, also dem Erfüllen des Schemas und seiner Verletzung oder Weiterentwicklung." (Engell 2013: 204) Breaking Bad entfaltet in der Weise seines Erzählens eine genuin ästhetische Erfahrung seriellen Fortsetzens als permanenter lebendiger Erneuerung und Verjüngung, die in scharfem Kontrast steht zu dem Wiederholungszwang, der Walter Whites ökonomisches Handeln bestimmt. Die Erfahrung der Serialität spaltet sich in zwei ganz verschiedene, ja, gegenläufige Gestalten. Aber indem die Erfahrung der Lebendigkeit in Walter Whites Selbsterkenntnis so in der Erzählung selbst zur Sprache kommt, dass er sie im Rückblick als konstitutiv für sein eigenes Handeln erfährt, stellt sich die entscheidende Frage, in welchem Verhältnis diese beiden Modi des Seriellen stehen. Entscheidend ist diese Frage, weil von ihr die Möglichkeit der Befreiung abhängt.

Weitere Infos

Art:
eBook
Sprache:
deutsch
Umfang:
164 Seiten
ISBN:
9783593434933
Erschienen:
November 2016
Verlag:
Campus Verlag GmbH
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