Rezension

Totale Themaverfehlung und ziemlich überflüssiges Buch - passt überhaupt nicht in die "Gebrauchanweisung für..."-Reihe

Gebrauchsanweisung für die Welt - Andreas Altmann

Gebrauchsanweisung für die Welt
von Andreas Altmann

Bewertet mit 1 Sternen

Zwei Dinge vorweg: Nein, ich kannte Herrn Altmann vor der Lektüre dieses Buches nicht, hatte noch nie etwas von ihm gelesen. Deshalb kann ich nicht sagen, ob dieses Buch „typisch Altmann“ ist, sein stärkstes, sein schwächstes Werk. Und er hat sich eine schwere Aufgabe zugemutet, ein Buch gleich über die ganze Welt zu schreiben. Denn jeder hat so seine eigenen Vorstellungen, was in ein solches Buch hinein muss und was draußen bleiben kann. Ja, ich kenne die „Gebrauchsanweisung für...“-Reihe. Jeder Autor hat seinen eigenen Stil und legt den Fokus auf verschiedene Dinge. Außerdem hatten sie es bisher alle leichter, ging es ja nur um ein bestimmtes Land, eine bestimmte Region. Trotzdem hatte ich eine bestimmte Vorstellung davon, was ich in diesem Buch gerne finden möchte. Es gibt Bücher, die sind so spannend, fesselnd, unterhaltsam, dass man sie nicht mehr aus der Hand legen möchte. Dieses Buch habe ich leider allzu gern und oft aus der Hand gelegt, um mir eine Pause zu gönnen oder zwischendurch in ein Buch zu spitzen, das mich viel mehr faszinierte. Meine Ansprüche hat Herr Altmann leider nicht befriedigt.
Es ist nicht so, dass Herr Altmann kein guter Schreiber ist. Er drückt sich gut aus, er schreibt sehr emotional (manchmal ZU emotional für meinen Geschmack). Der Autor hat vieles erlebt, er hat alle Kontinente fernab der üblichen Reiserouten kennengelernt, vieles – teilweise Unglaubliches (Als Gott in Ozeanien verehrt, das muss ihm erstmal einer nachmachen!) – erlebt und ist deshalb sicherlich prädestiniert dazu, ein Buch über die Welt zu schreiben. Und hätte dieses Buch den Titel „Herr Altmann und wie er die Welt sieht“, so hätte der Inhalt wunderbar dazu gepasst.

Aber ich habe mir unter dem Titel „Gebrauchsanweisung für die Welt“ etwas Anderes vorgestellt. Und keine Aneinanderreihung von teilweise sehr krassen, keinen Widerspruch duldenden Meinungen des Autors, durchbrochen von mir persönlich viel zu wenigen „Magischen Momenten“.

Herr Altmann teilt sein Buch in viele kleine Kapitel ein, die sich um bestimmte Themen drehen, z. B. Essen, Fortbewegungsmittel, Rassismus usw. Dazwischen gibt es 9 „Magische Momente“, die ein konkretes Erlebnis beschreiben, das Herrn Altmann sehr berührt hat. (Und in meinem Fall nicht immer den Leser, aber magische Momente sind eben sehr subjektiv.)

Was erwarte ich außer der Wiedergabe interessanter Eindrücke, wie sie in den zu wenigen magischen Momenten vorkommen? Nun, z. B. konkrete Hilfestellungen, wie ich mich als Globetrotter in der Welt zurecht finde. Man sollte meinen, diese fänden sich in den anderen Kapiteln. Ja, manchmal schon. Aber an und für sich handelt es sich hier in der Regel lediglich um die Zusammenfassung der Meinung des Autors. Die oft mit dem Brecheisen in das Hirn des Lesers gerammt werden soll. Herr Altmann stellt von Vornherein klar, dass er hier nicht zimperlich auftreten wird, und das mag ja auch ok sein in seiner Autobiographie, in seinem Roman, in dem fiktiven Buch „Herr Altmann und wie er die Welt sieht“ – in einer Gebrauchsanweisung finde ich das eher unpassend. Wenn es nach Herrn Altmann ginge, sind wir, die nicht ständig durch die Welt reisen auf der Suche nach gefährlichen Abenteuern, die nicht alles hinter sich lassen und auf Verpflichtungen, Strukturen, Arbeit sch...en, die größten Langweiler, „déjà mort“, um es mit den beim in Paris lebenden Autor so beliebten „Frankozismen“ auszudrücken. Dass es Menschen gibt, die auch gerne irgendwo ihre Heimat haben, die gerne einen Beruf ausüben – oder es alternativ müssen mangels finanzieller Freiheit (Herr Altmann behauptet zwar, man brauche kein Geld zum Reisen, aber hat selbst viele Reisen auf Grund seines Berufes vermutlich bezahlt bekommen und benötigt ja schon allein für seine vielen Schmiergelder ein paar Scheine.) –, die nicht nur aus dem Rucksack leben wollen, das will der Autor nicht wahrhaben. Solche Menschen sind fette Couchpotatoes, Langweiler noch und nöcher, Uninteressierte mit Scheuklappen.

Nun schreibt Herr Altmann durchaus viele Wahrheiten nieder. Und er brachte mich auch ab und zu zum Nachdenken, zum Reflektieren des eigenen Verhaltens. Doch er übertreibt es einfach. Nehmen wir z. B. das Kapitel über Höflichkeit. Natürlich hat er Recht damit, was er alles schreibt. Aber ein paar Sätze dazu hätten es in diesem Buch auch getan. Auch andere Themen passen entweder nicht in dieser Länge oder überhaupt nicht zu einer Gebrauchsanweisung für die Welt. Ich will nicht ausführlich die philosophischen Überlegungen von Herrn Altmann lesen zu allerlei Themen, es sollte im Rahmen bleiben. Und alles in Allem ist mir seine Hau drauf-Mentalität etwas too much, auch wenn er manchmal doch noch relativiert oder zugibt, dass er selbst erst das alles lernen musste. Trotzdem. Z. B. wenn er auf 12 Seiten darüber schwadroniert, wie unheimlich bereichernd sein Leben ist, weil er sich alle Arten von Drogen, – immerhin in gebührlichem Abstand und in Maßen! – von den leichten (Ich sag mal mangels Erfahrung einfach: Hasch.) bis zu den ganz harten (Würde ich jetzt mal dazuzählen: Heroin, Crack), reinpfeift. In einer Opiumhöhle völlig bedröhnt in der Ecke zu liegen hat seiner Meinung nach einen enormen „romance“-Quotienten, nach der Einnahme von LSD auf allen Vieren durch eine Großstadt zu kriechen, bis die Ambulanz ihn mitnahm, empfand Herr Altmann als „eine wunderschöne Erfahrung“. Da sag ich mal: Ok, „chacun à son goût“, lieber Herr Altmann, aber dann behaupten, dass man ohne den regelmäßigen Drogenkonsum gar nicht richtig lebt und die schönsten Dinge verpasst – hm hm... als Erwachsene kann ich ja mein Hirn selbst gebrauchen und sagen: „Nein, Herr Altmann, ich sehe das nicht so, das brauche ich nicht.“ Aber hat man als Autor nicht auch so ein klitzekleines bisschen eine gewisse Verantwortung gegenüber dem Leser? Das liest ein 16jähriger, der sich mit diesem Buch auf seinen Rucksacktrip durch Asien vorbereiten möchte, und dann hockt er in der Opiumhöhle, denkt sich „Der Altmann hat ja geschrieben, das muss man unbedingt mal machen.“ – es ist nicht jeder so willensstark und geistig reif wie der Autor, möchte ich behaupten. Er schreibt ja selbst von hoffnungslosen Fällen, an denen die Drogensucht ihr zerstörerisches Werk vollendet hat.

Da hilft es auch nichts mehr, wenn er auf Seite 180 endlich mal klarstellt: „Das vorliegende Buch soll eher jenen zugeeignet sein, die den Kitzel verlangen.“ Nach 180 Seiten kam das für mich zu spät.

Hach ja, ich könnte noch seitenweise so weitermachen. Und dabei muss ich – was den Leser dieser Rezension vielleicht erstaunt – doch auch sagen: Das Buch ist per se nicht schlecht!!! Aber der Titel – das, was er verspricht, passt nicht zum Inhalt. Zu viel eigene, nichts Anderes gelten lassende Meinung des Autors. Zu wenige Erlebnisse, zu wenig über die Welt, über die Orte, die Herr Altmann gesehen hat, und er hat verdammt viel gesehen, das ist mir klar. Was hätte er alles daraus machen können! Zu viele Weibergeschichten, wenn auch leise und kurz, aber irgendwie trotzdem nervig, der Autor darf ins Bett, mit wem er will, aber tragen diese Stories zur Aufwertung des Buches bei? Nö. Mag ich auch nur so sehen, weil ich eine Frau bin, vielleicht finden männliche Leser es inspirierend, unter welchen Bedingungen man auf Reisen eine Frau kennenlernen und in den Schlafsack locken kann. Mag alles sein. Aber Rezensionen sind ja subjektiv.
Abschließend möchte ich noch sagen: Herr Altmann ist ganz klar ein sehr interessanter Mensch mit einem wahnsinnigen Fundus an Erfahrungen. Und er kann gut schreiben. Vielleicht lese ich einfach mal ein anderes Buch von ihm. Aber in meinen Augen handelt es sich hier bei seiner „Gebrauchsanweisung für die Welt“ um eine Themaverfehlung. Ich schwanke deshalb zwischen 2 und 3 Sternen. Gebe ich (trotzdem) eine Leseempfehlung ab: Ganz klar ja, immer, bei jedem Buch!!! Denn jeder hat seinen eigenen Geschmack, es wird sicherlich Leser geben, die Altmanns Buch klasse finden.

P.S.: 14,99 € finde ich ein bisschen happig für 212 Seiten. Aber dafür kann der Autor ja nix.