Rezension

Atmosphärischer Cyberthriller

Wolfszone -

Wolfszone
von Christian Endres

Bewertet mit 4 Sternen

Deutschland in einer nicht allzu fernen Zukunft: Durch illegal entsorgten Technikmüll und Nanobots sind die Wölfe in einem Wald in Brandenburg mutiert. Diese Cyberwölfe lösen Ängste aus, der Wald wird abgesperrt, die Armee rückt an, aber auch Journalisten und Naturschutzgruppen wie die Aktivistengruppe ProW@lf.

Privatdetektiv Joe Denzinger erhält von der Chefin eines Rüstungskonzerns einen brisanten Auftrag. Ihre Tochter Lisa ist verschwunden, zuletzt war sie undercover im Camp der ProW@lf-Aktivisten, er soll sie nun finden. Heikel, da ihre Mutter verschiedene Drohnen liefert, um die Wölfe nicht nur zu beobachten, sondern gegebenenfalls auch zu bekämpfen.

Christian Endres erzählt seinen Cyberthriller aus fünf verschiedenen Perspektiven. Joe Denzingers ist eine davon. Tariq ist ein syrischstämmiger Bundeswehrsoldat, der unter Rassismus zu leiden hat. Kira, Evolutionsbiologin, forscht an Wölfen, Winslow, ein junger, nicht mutierter Wolf begleitet sie. Marija ist Fahrradkurierin, schmuggelt aber auch Drogen durch die abgesperrte Wolfszone. Ihre Tochter lebt in der Nähe beim Vater. Die für mich spannendste Perspektive ist die von DW-7X, einem der mutierten Wölfe.

Ich gestehe, dass mir nicht alle Protagonist:innen gleich gut nahe gekommen sind. Neben DW-7X, der nicht nur am interessantesten ist, sondern auch Informationen über die Veränderungen bei den Wölfen liefert, mag ich Tariq am liebsten, seine Gedanken und Gefühle kann ich gut nachvollziehen. Mit den anderen habe ich meine Probleme, kann nicht alle Handlungen und Gedanken nachvollziehen. Joe stehen meiner Meinung nach seine Hormone zu sehr im Weg. Bei Kira sind es private Probleme, die mir zu vage blieben als dass ich sie verstehen kann, und ihre Handlungen nach einem gewissen Ereignis, die in meinen Augen sehr überzogen sind. Marija kommt mir gar nicht nahe und ist mir bis zum Schluss nicht sympathisch. Bei ihr stört mich vor allem, dass sie sich durch ihr kriminelles Handeln bewusst in Gefahr begibt, was meiner Meinung nach nicht zu ihren Gedanken bezüglich ihrer Tochter passt. Am Ende hatte jeder der Fünf eine wichtige Rolle in der Geschichte.

Es gibt auch interessante Nebencharaktere, wie z. B. den Schrottplatzbesitzer Oskar, dem ich im wahren Leben eher aus dem Weg ginge, schon wegen seiner sehr speziellen Ansichten, der aber dem Roman von Anfang an gewisse Impulse gibt.

Interessant ist natürlich auch der Hintergrund der Geschichte, der Klimawandel ist fortgeschritten, die Hitze, die während der im Mai spielenden Handlung herrscht, kann man regelrecht fühlen, und auch die Probleme der Bevölkerung werden deutlich. Hier hat Christian Endres eine durchaus vorstellbare Zukunft entwickelt.

Ich mag Wölfe, und heute schon gibt es Menschen, die Probleme damit haben, dass der Wolf in Deutschland wieder heimisch wird. Dass das noch schlimmer werden würde, wenn diese, wie hier beschrieben mutieren würden, kann man sich denken. Und so ist es hier auch, viele wollen die Tiere einfach nur vernichtet sehen, eine Abstimmung im Bundestag darüber, wie mit ihnen zu verfahren sei, steht kurz bevor. Fakenews und gefälschte Videos kursieren und heizen die Ängste und den Hass auf die Tiere an. Beim Lesen hat man leider immer das Gefühl, so könnte es wirklich sein. Das Ganze schürt dann auch die Spannung, und Joes Auftrag, Lisa zu finden, tritt fast in den Hintergrund. Natürlich wird Lisas Schicksal am Ende dennoch nachvollziehbar aufgeklärt.

„Wolfszone“ hat mich gut unterhalten, mich hat zwar nicht jeder Charakter angesprochen, doch ist zumindest die Perspektive des mutierten Wolfes genial, trägt viel zur Spannung und zur Atmosphäre bei, und hat mich auch berührt. Atmosphäre entsteht auch durch das Gefühl einer möglichen Zukunft, einer Zukunft, die wir vielleicht noch verhindern können. So hat der Roman auch einen gesellschaftskritischen Aspekt. Am Ende habe ich den Roman zufrieden zugeklappt.