Rezension

Faszinierende Frau und Künstlerin

Artemisia Gentileschi und Der Zorn der Frauen -

Artemisia Gentileschi und Der Zorn der Frauen
von Gabriela Jaskulla

Bewertet mit 5 Sternen

Unberührt bleibt kein Betrachter beim berühmtesten Gemälde von Artemisia Gentileschi „ Judith enthauptet Holofernes“ ( 1620 ). Dieses biblische Motiv war weit verbreitet, aber niemand hatte die Mordtat bisher so drastisch und brutal dargestellt. Kühl und entschlossen packt Judith mit der einen Hand den Kopf des Mannes, mit der anderen führt sie zielsicher das Schwert. Die Magd im Hintergrund hilft ihrer Herrin bei dieser blutigen Tat.

Wer war diese Malerin, die mit kräftigen Farben und dramatischen 

Hell - Dunkel- Kontrasten arbeitete und bevorzugt starke Frauen in den Mittelpunkt ihres Schaffens setzte ?

Geboren wurde sie 1593 als Tochter des bekannten Malers Orazio Gentileschi in Rom. Ihre Mutter starb, als Artemisia 11 Jahre alt war. Es war selbstverständlich, dass sie danach die Rolle der Hausfrau übernehmen und für ihren Vater und ihre Brüder sorgen musste. Allerdings erkannte ihr Vater auch früh ihr malerisches Talent und unterrichtete sie gemeinsam mit den Söhnen. Da die Tochter am begabtesten schien, holte er den Malerkollegen Agostino Tassi ins Haus als zusätzlichen Lehrmeister. Der allerdings nutzte seine Position aus und vergewaltigte die junge Frau.

Ungewöhnlich war dann allerdings, dass der Vater einen Prozess anstrengte gegen den Vergewaltiger seiner Tochter. Doch damit erwies er Artemisia keinen Dienst. Tassi wurde zwar verurteilt, doch ohne wesentliche Folgen für ihn. Dafür aber war das Verfahren nicht nur äußerst demütigend für die junge Frau ( mit gynäkologischen Untersuchungen und Folter beim Kreuzverhör), auch ihre Ehre war zerstört. 

Mit einer überstürzten Heirat und dem Umzug nach Florenz sollte der gute Ruf der jungen Frau wiederhergestellt werden.

In Florenz begann dann ihre Entwicklung zu einer großen Künstlerin. In relativ kurzer Zeit verschaffte sie sich einen Namen. Sie fand reiche und einflussreiche Gönner, die ihre Kunst zu schätzen wussten. Auch öffentliche Aufträge ließen nicht auf sich warten. Als erste Frau wurde ihr die Ehre zuteil, an der „Accademia delle arti del disegno“ aufgenommen zu werden.

Florenz blieb nicht die einzige Station für die Malerin. Es folgten Aufenthalte in Rom, Venedig, Neapel, London. Immer wieder flieht sie vor Schuldnern, muss an neuer Stätte ihren Platz in der dortigen Gesellschaft finden, muss Kontakte knüpfen, um an Aufträge zu kommen, muss neue Werkstätten aufbauen. Trotz ihres Ruhmes war ihr Stand als weibliche Malerin nicht leicht. 

Auch privat war ihr wenig Ruhe gegönnt. Die Ehe war ein Fehlgriff, sie hatte Liebhaber, bekam Kinder, von denen einige früh starben, hatte Freunde, aber auch viele Neider.

Nach ihrem Tod ( das genaue Todesjahr ist nicht bekannt, vermutlich so um 1652/53 ) geriet die Künstlerin in Vergessenheit. Erst in den 1970er Jahren, im Zuge der Frauenbewegung, wurde sie neu entdeckt.

 

Aus den wenig gesicherten Fakten über das Leben der Artemisia Gentileschi machte Gabriela Jaskulla eine mitreißende Künstlerbiographie. Sie beschreibt Artemisia als eine starke, selbstbewusste, aber auch zornige Frau. Eine Malerin, die sich behaupten muss in einer von Männern dominierten Welt. In ihren Bildern begehrt sie auf gegen die Gewalt von Männern, die sie selbst erfahren musste. „ Sie teilte mit ihren Figuren die weibliche Erfahrung der Gewalt“, so heißt es im Buch.

Sehr detailliert und anschaulich beschreibt Gabriele Jaskulla, die studierte Kunsthistorikerin, zahlreiche Bilder von Artemisia Gentileschi. Dabei geht sie auf Eigenheiten und Besonderes im Stil dieser Barockmalerin ein, benennt die Unterschiede zu Malerkollegen und gibt Hinweise zur Deutung. 

Doch neben der spannenden Künstlerbiographie erhält der Leser noch ein lebenspralles Sittengemälde des 17. Jahrhunderts. Wir erfahren von den Unterschieden im gesellschaftlichen Leben der verschiedenen Städten. Dazwischen gibt es Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten, wie z.B. Galileo Galilei, Caravaggio und Velasquez. Wir sind am Hofe der Medici, sind dabei, als die Pest nach Venedig kommt und in Neapel der Vesuv ausbricht.

Im Nachwort lässt uns die Autorin an ihrer Arbeit teilhaben, zeigt, wo sie Leerstellen gefüllt hat und wie sie dabei vorging. Hier begründet sie auch, warum sie den ansonsten chronologisch erzählten Text durch kurze „ Cuts“ unterbrochen hat. Dabei lässt sie ein Filmteam die Geschichte der Artemisia im Heute spiegeln. So schaffe sie einerseits Distanz und mache gleichzeitig bewusst, dass es sich hierbei um Fiktion handle.

Gabriele Jaskulla hat mir mit dieser Romanbiographie eine faszinierende Frau und Künstlerin nahegebracht. Deren Gemälde habe ich schon zuvor bewundert, doch nun verstehe ich sie besser. Daneben lässt die Autorin eine Zeit lebendig werden, die uns heute so fern liegt.

Fesselnd, unterhaltsam und lehrreich!