Rezension

Winterliche Melancholie

Hotel Paraíso -

Hotel Paraíso
von Arezu Weitholz

Bewertet mit 4.5 Sternen

Arezu Weitholz‘ Icherzählerin Frieda hütet über den Jahreswechsel ein kleines Hotel an der portugiesischen Küste und verhindert so vermutlich in letzter Minute ihren drohenden Burnout. Die Zimmer des abgelegenen Gebäudes, früher eine feudale Ferienresidenz,  wirken auf sie überdimensioniert; angesichts auf die Küste prallender  Winterstürme ist die Verantwortung für Gebäude und Technik nicht nebensächlich. Labrador Otto und Hausmeister Joãno sind nicht Friedas einzige Gefährten, eine unbekannte Person isst regelmäßig von Friedas Mahlzeiten, die sie in der Personalküche für sich vorbereitet hat, und lässt im Tausch ungewöhnliche Lebensmittel zurück. Otto zwingt Frieda aus ihrem Schneckenhaus heraus; denn die Leute kennen Otto und ahnen, welche Rolle Frieda spielt. Ihre Gedanken wandern zurück in die Gegend roter Trachtenröcke, in der man in Friedas Kindheit gefragt wurde „Wo bist du weg?“ Die folgende Frage „Und was ist deine Mutter für eine Geborene?“ konnte sie als Adoptivkind nicht beantworten. Beim Hotel-Sitten interessiert nicht, wer Friedas biologische Mutter ist; sie kommt offensichtlich bestens mit der Besitzerin und deren Wünschen klar. Nichtzugehörigsein und eine vage "orientalische" Herkunft haben sich bis in Friedas Beziehung zu ihrem Partner Jonas fortgesetzt; das Verhältnis zu ihren Schwiegereltern ist noch entwicklungsfähig.

Die  Synchronsprecherin Frieda  nimmt  in einem winterleeren Hotel  zunächst die Welt der Geräusche war und richtet sich in der Abwesenheit von Menschen ein.  Während die Krise ihrer Branche durch den Einsatz von KI im Hintergrund spürbar ist, gewinnt Frieda einen neuen Blick auf ihre Kindheit in der Provinz – offenbar waren nicht alle Menschen so sonderbar, wie sie ihr in Erinnerung blieben. Ein sehr kurzer Roman, der winterliche Stimmung vermittelt.