Rezension

Nackt und nachdenklich

Do Re Mi Fa So -

Do Re Mi Fa So
von Tine Melzer

Bewertet mit 3 Sternen

Sebastian Saum geht es gut. Er ist erfolgreich als Opernsänger, mit seinem besten Freund Franz teilt er sich das geerbte Elternhaus auf dem Land. Aber direkt nach der Überraschungsparty zu seinem 40 Geburtstag steigt Saum in die Badewanne und kommt nicht mehr heraus. Nackt sinniert er über sein Leben, leidet zunehmend unter Verspannungen wegen des Schlafens in der Badewanne und verpasst die Proben für seine bisher größte Rolle. Franz versorgt ihm mit Essen, doch der Freund ist zunehmend überfordert mit der Situation. Und Saum? Der schafft es einfach nicht raus aus dem kleinen Badezimmer.

Die Idee dieses Romans ist wunderbar skurril. Ein Opernsänger in der Badewanne. Aber das ist tatsächlich auch schon der gesamte Plot. Saums Gedanken zu seiner Vergangenheit, seiner Situation, seinen Wünschen, Freundschaft und der Sinnhaftigkeit seines Lebens sind teils wundervoll formuliert. Man muss genau lesen, es ist ein langsames Buch das sich nicht zum mal eben wegschmöckern eignet.
 

"Aber Freiwilligkeit ist das Gegenteil von Geborenwerden." - Seite 27

Ich mochte Saums imaginären Kleiderschrank, all die Stoffe, die ihn durch sein Leben begleitet haben. Das Essen, das Franz ihm vorsetzt lässt einem beim Lesen manchmal das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die Freundschaft der beiden klingt wunderbar unkompliziert und wertschätzend. Auch wenn Saum darüber nachdenkt, was er tun will, wen er treffen möchte, wenn er aus der Badewanne herauskommt, das war sehr schön zu lesen. Man wünscht ihm immer dringender, dass er es doch tun soll, aber der letzte Funke zum Aufbruch fehlt.

"Duschen ist allgemein beliebter als Baden, da es zeitsparender ist. [...] Allein die Vorbereitung eines Vollbades kann bis zu zwanzig Minuten in Anspruch nehmen, steht da. Die Vorbereitung zu meinem Bad hat Jahre gedauert." - Seite 39

Saum zweifelt ruhig und beschaulich, denn er kann es sich leisten. In seinem Leben gab es keine größeren Dramen. Nur hier und da eine kleine Andeutung, die aber offenbar keine größeren Wunden hinterlassen hat. Ich fand den Roman stellenweise sehr schön. Tine Melzer hat viele gute Gedanken in dieser Geschichte untergebracht. Aber mir trat es letztlich dann doch ein wenig zu sehr auf der Stelle. Es fehlte ein bisschen der Wow-Effekt abseits der Ausgangssituation. Wer einen ruhigen, klugen Roman mit speziellem Setting lesen möchte, der ist hier aber durchaus richtig!