Rezension

Themenvielfalt in Gedichtform...

Leih mir dein Ohr -

Leih mir dein Ohr
von Renate Welsh

Bewertet mit 3.5 Sternen

Gedichte zu vielen Themen, oft werden innere Empfindungen deutlich, die vor allem für die Autorin von Bedeutung sind, manches bleibt leider unverständlich...

Berührend ehrlich, schonungslos offen und mit einem beeindruckenden Sprachgefühl schreibt Renate Welsh ihre Geschichten, hört genau hin und erzählt von Schicksalen. Und nun verpackt sie in ihren Gedichten nichts weniger als ihr Leben: Da wird aus der Schreibwerkstatt berichtet, an Schrauben gedreht, der Schwester gedacht, Kindern genau zugehört und das Leben in Kunstwerke verpackt. Die Autorin schreibt von der Sprachlosigkeit nach ihrem Schlaganfall, von Vertrauen und zwischenmenschlichen Begegnungen, von fremden Ländern, Reisen und Flucht, von Liebe und von Trauer. (Verlagsbeschreibung)

Die Bewertung von Gedichten fällt mir ehrlich gesagt schwer. Verraten sie doch oft viel von dem, was in dem Verfasser oder der Verfasserin vorgeht, tiefliegende Gedanken und Gefühle. Es wird das Innerste nach außen gekehrt, für mein Empfinden noch viel mehr als in anderen Texten, was vermutlich an der reduzierten Sprache liegt. Der Kern allen Seins tritt offen zutage. Kann man das so schreiben? Zumindest der Kern des Seins der Autorin oder des Autors.

Insofern weiß ich um die tiefe Bedeutung, die solche Zeilen für denjenigen oder diejenige hat, der oder die sie zu Papier bringt. In seinem oder ihrem ganz eigenen Stil und mit dem Maß an Offenheit, zu dem er oder sie bereit ist. Das hat auch Renate Welsh hier getan, und sie widmet sich gleich einer ganzen Themenvielfalt. Sei es nun ihre kranke Schwester, die Situation nach ihrem eigenen Schlaganfall, Gedanken zur Flüchtlingsproblematik, von tiefer Trauer oder auch vom Schreiben selbst. Gedichte, die sich sicherlich im Laufe des Lebens angesammelt haben und nun in einem kleinen Werk als Gesamtheit präsentiert werden.

Es handelt sich dabei um eine moderne Dichtung ohne Reime, eine lose Aneinanderreihung von meist wenigen Zeilen, die das Thema, die Gefühle, die Gedanken auf das Wesentliche reduzieren. Manchmal jedoch so reduzieren, dass ich vielleicht noch erahnte, worüber die Autorin gerade schreibt, nicht aber die tiefere Bedeutung. Manches wird tatsächlich nur angedeutet und erschließt sich womöglich nur, wenn man die Hintergründe kennt. So hatte ich bei einigen Gedichten das Gefühl, nicht wirklich etwas zu verstehen, zumal bei etlichen Versen auch keine Überschrift gesetzt wurde, die einen schon einmal auf die richtige Spur hätte bringen können.

Bewerten kann ich wirklich nur, was die Gedichte in mir ausgelöst haben. Ich habe schon andere Gedichte gelesen, die mich emotional haben mitschwingen lassen, die berührten, nachdenklich stimmten oder auch erheiterten. Hier habe ich davon leider nur sporadisch etwas empfunden. Damit will ich keinesfalls den Wert schmälern, die die Zeilen mit Sicherheit für Renate Welsh selbst haben. Aber für mich konnten sie die tiefe Bedeutung leider oft nicht transportieren, sehr schade. Die Autorin und ich - wir schwingen diesbezüglich offensichtlich auf unterschiedlichen Wellenlängen...

Sicherlich wird es andere Leser:innen geben, die sich da mehr angesprochen fühlen. Das ist dem Werk zu wünschen...

 

© Parden