Rezension

Dieser Blick auf ein neues Menschenbild gefiel mir gut, machte ein wenig Hoffnung

Im Grunde gut -

Im Grunde gut
von Rutger Bregman

Bewertet mit 4 Sternen

»Dass Menschen von Natur aus egoistisch, panisch und aggressiv sind, ist ein hartnäckiger Mythos. Der Biologe Frans de Waal spricht deshalb von einer „Fassadentheorie“. Die Zivilisation wäre demnach eine dünne Fassade, die beim geringsten Anlass einstürzen würde. Die Geschichte lehrt uns aber das genaue Gegenteil: Gerade, wenn Bomben vom Himmel fallen oder Deiche brechen, kommt das Beste in uns zum Vorschein.«

Nach einer Katastrophe bricht das völlige Chaos aus, Menschen kehren zu ihren niedrigsten Instinkten zurück, plündern, morden, vergewaltigen – das ist es doch, was allgemein geglaubt wird, nicht zuletzt unterstützt durch passende Darstellungen in Spielfilmen. Tatsächlich jedoch konnte das Disaster Research Center nach Auswertung von 700 Feldstudien belegen, dass Menschen sich gegenseitig helfen, sich unterstützen und beistehen. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die von dem Autor gut wissenschaftlich belegt aufgeführt werden, um dem Leser zu einem positiveren Bild des Menschen zu verhelfen.

 

Es war mein 28jähriger Sohn, dem dieses Buch beim Stöbern im Buchladen ins Auge sprang. Wie viele andere junge Menschen auch sorgt er sich um die Zukunft und leidet unter der täglichen Flut von negativen Schlagzeilen. Er nahm von der Lektüre einige positive Gedanken mit – danach sehnte ich mich auch. Neben dem Klimawandel schockiert mich vor allem das stete Ansteigen des Rechtsradikalismus, wir steuern auf eine geschichtliche Wiederholung hin, nur dass der 3. Weltkrieg noch zusätzlich durch extreme Wetterereignisse ausgeschmückt sein wird.

 

Ich habe das Buch dann auch sehr gern gelesen, in 18 Kapiteln stellt Rutger Bregman interessante Fakten vor, die einem helfen können, nicht am Menschen zu verzweifeln. Alles ist gründlich durch Quellenangaben belegt und wirkt gut und umfangreich recherchiert. Vieles war mir tatsächlich neu, so hatte ich zum Beispiel noch nie von dem echten Herrn der Fliegen gehört, einem realen Ereignis, bei dem eine Gruppe Kinder auf einer einsamen Südseeinsel strandeten und dort bis zu ihrer Rettung über ein Jahr allein lebten, mit einem vollkommen anderen Verlauf als in dem Buchklassiker. Gebannt las ich auch, wie das Stanford-Prison-Experiment manipuliert wurde und verfolgte die Geschichte zweier Brüder, die in Südafrika einen Bürgerkrieg verhinderten.

 

Der Autor nimmt den Leser mit auf eine Reise durch seine Entwicklungsgeschichte, zeigt auf, dass der Mensch eigentlich gut ist und wann und wodurch es mit ihm „schiefging“. Dabei werden Schwächen deutlich, die Mächtige und solche, die es werden wollen, gerne und leider oft erfolgreich ausnutzen. Sehr einleuchtend empfand ich den geschilderten Nocebo-Effekt, bei dem man etwas Schlechtes annimmt und dies dadurch heraufbeschwört. Bekannt ist das Gegenstück zum Placebo-Effekt aus der Medizin, der Autor stellt nun die These auf, dass ein negatives Menschenbild ebenfalls ein Nocebo ist. Man glaubt zum Beispiel, dass bestimmte Menschen schlecht sind, behandelt sie entsprechend und bekommt ein passendes Resultat. Das lässt sich leider immer wieder beobachten.

 

Ich muss gestehen, dass mir dieser Blick auf ein neues Menschenbild gut gefiel. Er machte ein bisschen Hoffnung und sorgte durch die guten Beispiele für ein angenehm warmes Gefühl im Bauch. Gern werde ich mich auch an einigen der zum Schluss aufgeführten Lebensregeln versuchen, zum Beispiel im Zweifelsfall erst einmal vom Guten auszugehen. Und ich will auch versuchen, einen Menschen zu verstehen, für den ich kein Verständnis habe. Ganz so viel Glauben an die Menschheit wie der Autor kann ich allerdings nicht aufbringen.

 

Fazit: Dieser Blick auf ein neues Menschenbild gefiel mir gut, machte ein wenig Hoffnung.

 

»In Notsituationen kommt das Beste im Menschen zum Vorschein. Ich kenne keine andere soziologische Erkenntnis, die gleichermaßen sicher belegt ist und dennoch gänzlich ignoriert wird.«