Rezension

Wer regelmässig singt, lebt länger

Nach uns das Leben -

Nach uns das Leben
von Gudrun Eiden

Bewertet mit 3 Sternen

Ein Episodenroman - Aufhänger ist diesmal der Männergesangsverein. Eine gute Idee.

Zwölf Männekens sind über vom Männergesangsverein und auch die letzten standhaften Helden sind alt und müde geworden, man plant einen letzten Auftritt. Der Gesangverein war ihr Leben, ihre Zuflucht vor und in häuslichen Nöten. 

 Der Kommentar und das Leseerlebnis:

Von den zwölf Chormitgliedern, die geblieben sind und sich für den letzten Auftritt rüsten, widmet sich die Autorin porträthaft vier Männerleben. Der Gesangsverein ist der Aufhänger für einen Episodenroman.
Jedes dieser vier Leben ist auf seine Weise gescheitert, entweder sind die geliebten Frauen früh gestorben und die Witwer sind unglückliche zweite Ehen eingegangen, Augen auf bei der Partnerwahl, oder, nun ja, eigentlich gibt es kein Oder. Die Männer sind gezeichnet von ihren Ehen und Familien, mit denen sie nicht zurande kommen.
Es ist ein bisschen viel Drama, Baby, das die Autorin in diese Leben hineinzeichnet. Und dann wieder denke ich, es ist doch bloß Familie, was haben die sich so? Wieso wehren sie sich nicht ein bisschen, bäumen sich nicht auf gegen „Schicksal“? Selbst in den 1950ern war Mensch kein Schaf. Die Autorin trägt insofern ein bisschen dick auf für meinen Geschmack.
Abgesehen davon: mit Trauer kann man umgehen lernen, von Ehefrauen, die sich nicht um die Kinder kümmern, kann man sich trennen, von Vätern, die einen rumkommandieren, kann man sich emanzipieren. Es fehlt mir grundsätzlich an Verständnis für diese geduckten, wehrlosen Männer. Und deshalb auch für ihre Geschichten. Männerfreundschaft und Männergesangsverein ersetzen zudem weder eine Therapie noch Entscheidungsschwäche. Und ich frage mich, gibts das, dass alles so hingenommen wird ohne Widerspruch – und ich glaubs nicht.
Dennoch ist das Leseerlebnis im Großen und Ganzen positiv, denn die Schicksalsschläge sind in ihrer Anhäufung und Erduldung zwar nicht überzeugend, aber durchaus originell und unterhaltsam konzipiert, der Roman ist flüssig und leicht zu lesen, in angenehmer Alltagssprache. Insgesamt hätte ich zwar die Hälfte aller Metaphern gestrichen, das Einfache ist manchmal mehr und man braucht für das Selbstverständlichste kein Bild. Ein Beispiel: „Claras Begeisterung war wie ein Tag im Mai“. Ein schlichtes „Clara war begeistert“ wirkt manchmal mehr als ein Bild. Denn das Romanlein besticht am ehesten durch seine Schlichtheit. Schlicht punktet immer. Freilich ist kein Bild drüber, nur halt zu viel des Guten. 

Jaha, halt die Auswahl der Schicksale: Durchgängig duldsames Lamm ist halt doch ein bisschen dröge. Da ist bei keinem ein Funken Lebensfreude.

Fazit: Vier very dramatische Leben von zwölfen, diese Rate kann man noch tolerieren. Ein geglücktes Leben dazwischen hätte ich erfreulich gefunden. Dennoch habe ich mich gut unterhalten, obwohl ziemlich wenig Gesangsverein war. 

Kategorie: Leichte Unterhaltung
Verlag: Penguin, 2024