Rezension

Ein Gemälde als Portal in eine andere Welt - und die Macht der Gezeiten vor Neufundland

Der Leuchtturm der magischen Träume -

Der Leuchtturm der magischen Träume
von Charis Cotter

Bewertet mit 4.5 Sternen

Annie Jarvis ist 12 Jahre alt, als sie zu Beginn unseres Jahrhunderts auf dem Dachboden das Gemälde eines Leuchtturms auf Neufundland findet. Das Bild scheint sie förmlich einzusaugen in eine Welt, in der die gleichaltrige Claire Zeugin wird, wie ihre kleine Schwester auf die Straße und direkt vor ein Auto rennt.  Claire fühlt sich schuldig an dem Unfall, auch wenn einige Erwachsene betonen, dass (die kleine) Annie selbst dann nicht zu bändigen gewesen wäre,  wenn Claire versucht hätte, sie zurückzuhalten.  Claires  ohnehin schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter verschlechtert sich nach Annies Tod weiter, als Mutter und Tochter  aus Toronto nach Neufundland ziehen, ins Wärterhäuschen des Leuchtturms am Crooked Head. Als Künstlerin erlebt die Mutter  durch den Ortswechsel zwar einen unerwarteten  Karriere-Schub; Claire jedoch verliert alles, ihre vertraute Umgebung, ihre Freunde – und ihre geliebte Bücherei.

Zwei  circa gleichaltrige Mädchen, ein tragisches Unglück, eine Icherzählerin, die von Gemälden förmlich aufgesaugt, an anderem Ort  wieder herausgeschleudert wird und deren Mutter nach einem Unfall im Koma liegt  – als Setting  hat mich das anfangs verwirrt. Da jedes Kapitel mit einem Zitat aus Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln angekündigt wird, hätte mir etwas Nachhilfe aus Lewis Carrolls Büchern vor der Lektüre sicher gutgetan. Das Netz aus Figuren, Zeitebenen, Geistergeschichten und der überwältigen Kraft von Sturm und Wellen lichtet sich jedoch und die Lösung scheint schließlich plausibel.

Ein Buch über den Tod, Trauer, Schuldgefühle, ein übersehenes Geschwisterkind und die Macht von Geschichten, das mir für die Zielgruppe ab 11 sehr anspruchsvoll erscheint. Charis Cotters Geistergeschichten sind jedenfalls  einen zweiten Blick wert.