Rezension

Was will er denn nun aussagen?

Wolfskinder - John Ajvide Lindqvist

Wolfskinder
von John Ajvide Lindqvist

Für die, die ihn bislang nicht kennen: John Ajvide Lindqvist ist ein schwedischer Autor, den man nicht selten als “der Stephen King Schwedens” angepriesen sieht. Insofern ich das bislang beurteilen kann – “Wolfskinder” ist nicht der erste Titel, den ich von ihm gelesen habe -, ist da durchaus etwas dran, oder anders: Ich kann dieses Etikett gut nachvollziehen. Lindqvist schreibt bislang eher thrillerartiges, das er aber mit einer Prise Übernatürlichem garniert und durch die Kombination aus beidem gern bestimmte Aspekte von Mensch und Gesellschaft beleuchtet.

Da gibt es die Geschichte, die zur Geistergeschichte wird, zur Vampirstory, zum Zombieroman … und was erwartet man entsprechend bei “Wolfskinder”? Na, was mit Werwölfen … ich zumindest.

Der mehr oder minder abgehalfterte Musiker Lennart findet im Wald ein dort halb verbuddeltes Baby. Er nimmt es mit nach Hause, wo seine Frau und er das Mädchen, das schließlich Theres genannt wird, einfach verstecken und behalten. Doch Theres ist kein normales Kind, sondern verhält sich äußerst seltsam, scheint ständig auf der Suche zu sein, wird vor allem von Unbelebtem angezogen und erlernt auch das Sprechen erst spät.

An einem anderen Ort wächst ein Mädchen namens Theresa durchaus behütet auf. Sie fällt höchstens durch ihren ausgeprägten Ernst auf, der sie jedoch nicht davon abhält, schon in Kindertagen einen guten Freund zu finden, der ihr bis in die Teenie-Zeit hinein erhalten bleibt. Doch aus Ernsthaftigkeit wird zunehmend eine Art Weltschmerz und Theresa immer mehr zur Außenseiterin.

Zum Eklat kommt es, als Theres und Theresa sich irgendwann kennenlernen. Und sie sind nicht allein, sondern noch etliche Mädchen mehr erliegen dem “Charme” von vor allem Theres.

Der Roman beginnt mit einem ziemlich langen Anteil, bei dem man die Entwicklung von Theres begleitet, die ich persönlich äußerst uninteressant fand. Was Lindqvist hier wirklich gelungen ist (sollte dies seine Absicht gewesen sein): Mir war schon lange nicht mehr, falls überhaupt mal, eine Hauptfigur so dermaßen unsympathisch. Ich fand Theres jedoch nicht nur unsympathisch, sondern von Anfang an geradezu abstoßend, was es mir wahnsinnig schwer gemacht hat, weiterzulesen.

Ganz anders die später einsetzende Vorstellung von Theresa, die man von da an dann ebenfalls bis in die Teenie-Zeit begleitet. Bei ihr konnte ich mich in viele Gedanken, Entscheidungen und Empfindungen gut reinversetzen, habe sie gemocht und entsprechend mitgefühlt bei verschiedenen Szenen.

Dass diese beiden Mädchen sich anfreunden, dass Theres schließlich überhaupt so eine starke Anziehungskraft auf diverse Gleichaltrige, auf “Emo-Girls” ausübt, ist schwer nachzuvollziehen und lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass Theres’ Art als irgendwie “poetisch” von den Mädchen wahrgenommen wird.

Im Grunde passiert bis zum Ende insgesamt nicht viel. Und bei all dem, das passiert, habe ich mich gefragt: Wozu?

Ging es Lindqvist darum, einen genaueren Blick auf die heutige Jugend zu werfen, auf deren Probleme, auf die Entwicklung der “Emo”-Schiene? Ging es um die Kritik am allgemeinen Druck, der auch Jugendliche erreicht, etwa in Bezug auf Schule, auf das Miteinander? Ging es ihm um Einflussfaktoren wie Casting-Shows und Internetforen?

Ähnlich ratlos stehe ich dem übernatürlichen Element des Ganzen gegenüber. Welchen Mehrwert bietet dieses abseits einer symbolischen Nuance? Und wieso ist Theres nun eigentlich so, wie sie ist, wieso wurde sie im Wald verbuddelt?

Das Buch ist im Prinzip gut geschrieben, hat mich im Verlauf wie gesagt durchaus auch ein Stück weit mitgenommen (in Bezug auf Theresa), doch für mich sind letztlich zu viele Fragen offen geblieben, zu viele Punkte sind unklar und ich weiß nicht so wirklich, was der Roman mir nun eigentlich sagen oder erzählen wollte.

Kommentare

Miam kommentierte am 15. Juli 2015 um 01:38

Ich kann mich deinen Fragen nur anschließen! Am Anfang dachte ich noch " Wow, da kann echt was spannendes draus werden!" und "Oh mein Gott, wo wird das alles hinführen? Was ist der Rätsels Lösung?" Aber das Ende ist mehr als ernüchternd! Als ich das Buch zuende gelesen hatte, saß ich leicht verdattert im Bett und wusste nicht, was das jetzt sollte. 
Viel Potenzial würde ich sagen, was aber leider irgendwie im Laufe der Geschichte verloren ging. Vielleicht hat er im Laufe des Buches vergessen, was er eigentlich aussagen wollte (ups, böser Kommentar, sorry! :D)