Rezension

Bryan Smith: Haus des Blutes

Haus des Blutes - Bryan Smith

Haus des Blutes
von Bryan Smith

„Fünf Jugendliche auf einem einsamen Highway, irgendwo in Amerika.“ Für viele mag dies wie der typische Start eines noch klischeehafteren Horrorfilms klingen, aber bevor sie dieses Werk einfach bei Seite legen, lauschen sie für einen kurzen Moment meiner Rezension und lassen sie sich – hoffentlich – vom Gegenteil überzeugen.

Vorab kurz ein paar Worte zum Autor, der manchem Horrorroman – oder auch FESTA-Fan bereits ein Begriff ist, dem Großteil des typischen Thrillerpublikums aber nicht. „House of Blood“ oder eben im deutschen „Haus des Blutes“ ist Smiths Debütroman und erschien erstmals 2004 auf Englisch. Ebenso wie in seinen später erschienen Horrorromanen ist auch dieser nichts für schwache Nerven, sehr blutig und die eigentliche ‚Horrorhandlung‘ oftmals auch von überaus detailliert geschilderten Sexszenen überlagert. All dies bildet allerdings lediglich die Bühne für eine überraschend komplexe Handlung, die trotz des bescheidenen Umfangs von 416 Seiten nichts  von ihrer fesselnden Spannung verloren hat. Im Gegenteil, hätte Smith es sich zur Aufgabe gemacht einen mehrbändigen Horrorepos daraus zu machen, wäre ihm auch dies sicherlich mit Leichtigkeit gelungen. So kann man sich entspannt zurücklehnen und ein Horrorabenteuer erleben, das sich gewaschen hat.

Zurück zur Handlung:

Die Ausgangssituation ist vielen ein Begriff. Fünf befreundete Jugendliche sind seit Stunden auf einem einsamen Highway unterwegs, eingepfercht und erschöpft, verärgert und einander überdrüssig. Zudem herrschen auf Eifersucht basierende Spannungen zwischen einzelnen Charakteren, die am Ende nur eine Folge haben: Eskalation. Genau in diesem Moment trifft der Hauptcharakter, Dream, eine folgenschwere Entscheidung, nämlich den Highway zu verlassen, anzuhalten und ihren Freunden die Möglichkeit zu geben, ihrem Zorn Luft zu machen. Fatal, möchte man sagen, wenn nicht gar leichtsinnig, aber vermutlich ist Dream kein Horrorfilmfan und macht sich daher um einiges Sorgen, aber nicht um das, was innerhalb kürzester Zeit folgen wird.

Um diesbezüglich aber nicht zu viel zu verraten, sei lediglich gesagt, dass es natürlich einen Zwischenfall gibt, einen überaus blutigen noch dazu, welcher schnell zu getrennten Fronten führt. Während sich Dream und ihre beiden Freundinnen mit dem Auto erneut auf den Weg machen, wendet sich ihr Freund Chad, der – wie sich bald herausstellt – der männliche Hauptcharakter ist, von ihnen ab und sucht den Weg zurück zum Highway, zurück in die Zivilisation. Das er dort niemals ankommt wird niemanden überraschend.

Stattdessen findet er sich recht schnell in einer riesigen, unterirdischen Sklavenstadt wieder, dem Höllenspielplatz des ‚Meisters‘, wenn man so möchte. Dort werden Menschen seit Jahrzehnten als Sklaven gehalten und regelmäßig bösartigen Göttern als Opfer dargebracht, während sich die ‚Jünger‘, ebenso bösartige wie blutdurstige Schüler des Meisters, nach Herzenslust an ihnen austoben dürfen.

Was für manchen flach klingt, ist im Gegenteil gut durchdacht und überaus raffiniert verschachtelt. Die Welt, die Smith im Erdreich unter einem einsam gelegenen Herrenhaus schafft, nimmt schnell deutliche und gut strukturierte Formen an: Es herrscht ein eigenes Kastensystem, es gibt soziale Rangordnungen und Gesetze, denen sich nur die Mächtigen nicht zu beugen haben. Ebenso faszinierend wie die Komplexität seiner Welt, sind auch die Nebencharaktere, die er auf- und abtreten lässt. Da ist beispielsweise Cindy, eine befreite Sklavin, die sich nichts sehnlicher wünscht, als sich wieder wie ein Mensch zu fühlen und doch gezwungen ist sich Tag um Tag den Gesetzen von ‚Unten‘ zu beugen und ihre Menschlichkeit jedes Mal ein wenig mehr zu verlieren.

Aus einer völlig anderen Perspektive erfahren wir dieses mächtige Konstrukt durch die Augen von Giselle, einer stummen Schülerin des ‚Meisters‘, die bereits seit Jahrzehnten in den Räumen des Herrenhauses gefangen ist und darauf wartet Rache an dem Monster zu üben, dass sie in jungen Jahren zu den furchtbarsten Gräueltaten zwang und sie so zu einem Teil von sich machte. Selbst der ‚Meister‘ an sich, welcher sogar des häufigeren zu Wort kommt, zeigt menschliche Züge, da auch er sich vor dem Tod fürchtet, jetzt wo sich seine lange Lebenszeit dem Ende neigt.

Zu komplex für einen Horrorroman? Keineswegs. Geschickt verbindet Bryan Smith eine gute Story, mit dem nötigen Maß an Blut, Gewalt und Sex, um jedem Leser etwas zu bieten. Die eine oder andere Klischeeanspielung ist ebenfalls dabei, denn Chad ist definitiv bewanderter Horrorfilmfan.  

Fazit: Bryan Smith sollten Sie als Horrorfan auf jeden Fall lesen und vielleicht traut sich ja auch der ein oder andere Thrillerfan hier zuzugreifen und sich, wie man so schön sagt, die sprichwörtlichen Radieschen von ‚unten‘ zu betrachten.