Rezension

Hat mich positiv überrascht

Die Expedition - Monika Bittl

Die Expedition
von Monika Bittl

Bewertet mit 4 Sternen

München, 1903

Die Welt ist im Umbruch begriffen und wandelt sich in dieser Zeit rasend schnell. Doch die Welt der Frauen betrifft das aus Männersicht nur selten. Das Wahlrecht für Frauen gibt es noch nicht und an Universitäten sind sie noch belächelte Ausnahmefälle. Haushaltsführung und Kindererziehung sind die Bereiche, die die Männer ihnen gerne zugestehen. Die Gleichberechtigung ist noch in weiter Ferne. Eine winterliche Alpenüberquerung mit Schlittenhunden, die alleine von Frauen durchgeführt wird, ist deshalb ein aufsehenerregendes Ereignis, welches von den Herren der Schöpfung jedoch belächelt und von vornherein zum Scheitern verurteilt wird. Fünf Frauen wollen sich dennoch in der Männerwelt behaupten und aus ganz unterschiedlichen Gründen ihren Traum verwirklichen.

Ludmilla stammt aus gutbürgerlichem Hause und braucht sich um Geld nicht zu sorgen. Sie ist verheiratet, doch in ihrer Ehe nicht mehr glücklich. Obwohl das Geld aus Ludmillas Familie stammt, trifft ihr Ehemann alle Entscheidungen und verhält sich Ludmilla gegenüber selbstgerecht und hält ihr oft endlose Vorträge. Um diesem tristen Alltag zu entfliehen, gönnt sie sich nachts heimlich am Küchentisch das ein oder andere Glas Likör und ertränkt ihren Frust im Alkohol.

Rosa ist in den Bergen aufgewachsen und kennt sich dort gut aus. Sie redet gerne und viel, hat jedoch das Herz auf dem rechten Fleck. Rosa arbeitet als Hausmädchen bei Ludmilla und tut alles für ihre gnädige Frau. Oft lässt sie am nächsten Morgen die verräterischen Spuren des nächtlichen Alkoholkonsums verschwinden, ohne dass die gnädige Frau oder deren gestrenger Ehegatte dies je bemerken.

Die adelige Adele führt eine Scheinehe. Sie ist nicht nur die erste Frau an der Universität, sondern ihr Ehemann unterstützt sie dabei, auch noch ihren Doktor zu machen. Adele ist auf der einen Seite hochintelligent, doch auf der anderen nur einen Schritt vom Wahnsinn entfernt.

Henny ist alleinerziehend. Sie ist Künstlerin und lebt von der Hand in den Mund. Sie trägt einen Bubikopf und ist auch sonst sehr modern eingestellt. Die fünfte im Bunde ist die Ärztin Emily. Sie ist auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit und will sich mit der Expedition noch einen Aufschub gönnen.

Aus einer Alkohollaune heraus erzählt Ludmilla in einer Münchner Kneipe von ihrem Traum, eine winterliche Alpenüberquerung mit Schlittenhunden zu wagen und bringt damit den Stein ins Rollen. Obwohl die fünf Frauen sich nur flüchtig kennen und eigentlich nichts voneinander wissen, planen sie schließlich die abenteuerliche Expedition. Sie ahnen nicht, auf was sie sich da einlassen. Da jede der fünf Frauen ein Geheimnis mit auf die Reise nimmt, müssen sie sich nicht nur den eisigen Naturgewalten stellen.

|| Meine Meinung ||

Bereits im Vorwort erfährt man, dass dieser Roman auf einer wahren Begebenheit beruht. Die Handlung setzt einige Monate vor dem Start der Expedition ein und schildert die Hintergründe der unterschiedlichen Teilnehmerinnen. Aus den jeweiligen Perspektiven der Frauen betrachtet man die Entstehung der Idee, ihre Beweggründe zur Teilnahme, die Vorbereitungen und die Durchführung der abenteuerlichen Expedition. Der Roman ist in Kapitel unterteilt, die mit dem Jahr und dem Monat des Handlungsabschnitts überschrieben sind. Der Vorname der entsprechende Teilnehmerin gibt an, aus welcher Perspektive die Ereignisse gerade erzählt werden.

Die einzelnen Charaktere könnten kaum unterschiedlicher sein. Sie alle werden jedoch detailliert und lebendig beschrieben. Man bekommt so einen genauen Eindruck von den Standesunterschieden in der Bevölkerung. Durch die Betrachtung aus den jeweiligen Perspektiven stellt man nicht nur fest, was die Frauen denken und erleben, sondern auch wie sie selbst, und ihre Handlungen, auf die anderen Teilnehmerinnen wirken. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam - sie sind schlicht und ergreifend nur "Weiber" und haben damit in der Männerwelt nicht viel zu melden. Selbst Bildungsgrad und Herkunft spielen bei dieser Einschätzung keine Rolle.

Besonders lebendig wirken die Kapitel aus der Sicht von Rosa. Sie werden in der Ich-Perspektive erzählt. Sie plappert was ihr gerade in den Sinn kommt und schweift dabei nicht selten vom Thema ab. Diese Schwäche gibt sie in der Erzählung allerdings auch ungeniert zu. Doch auch die anderen Frauen und ihre unterschiedlichen Schicksale wirken glaubhaft und authentisch. Der Schreibstil, oder eher die Erzählweise der einzelnen Kapitel, passt sich der entsprechenden Protagonistin an. Rosas Dialekt, Hennys provokative oder Adeles vornehme Ausdrucksweise füllen die Handlung genauso mit Leben, wie der eher nüchterne Erzählstil der Ärztin Emily oder der, der gutbürgerlichen Ludmilla. Man fühlt einfach mit den Teilnehmerinnen und kann sich in sie hineinversetzen.

Obwohl man zunächst einiges von den Teilnehmerinnen und den Vorbereitungen der Expedition erfährt, wirkt die Erzählung durchgehend interessant und keineswegs langatmig. Sobald die Expedition startet, nimmt die Handlung deutlich an Fahrt auf. Die Ereignisse spitzen sich während der abenteuerlichen Reise zu. Eine deutlich intensivere Erzählweise vermittelt die Eindrücke und Gefühle der Frauen. Es gelingt Monika Bittl nicht nur die Stimmung innerhalb des Teams weiterzugeben, sondern auch noch die Landschaften und die unterschiedlichen Wetter- und Streckenbedingungen einzufangen.

|| Mein Fazit ||

Buchtitel und Cover hätten mich in der Buchhandlung wahrscheinlich nicht dazu bewogen das Buch spontan in die Hand zu nehmen, da Expeditionen abseits meiner bevorzugten Leserichtung liegen. Selbst die Lektüre der Inhaltsbeschreibung konnte mich noch nicht überzeugen. Aufgrund der kurzen Zusammenfassung erwartete ich eine belanglose Expeditionsgeschichte. Die Erzählung der winterlichen Alpenüberquerung hat mich allerdings positiv überrascht und durch eine durchgehend interessante Handlung und lebendige Charaktere in ihren Bann gezogen. Ich vergebe vier von fünf Bewertungssternen und empfehle das Buch gerne weiter.