Rezension

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Das lustigste und vielfältigste Buch der Reihe

Nachtmahr
von Anne Rice

Bewertet mit 5 Sternen

~~Seit etwa zweihundert Jahren ist er nun schon der Rebell unter den Vampiren, der unbestrittene König der Nacht: Lestat de Lioncourt, schön wie ein gefallener Engel und eine Legende im Reich der Untoten wie der Lebenden. Doch Lestat sehnt sich danach, zu seiner vergessenen Existenz als gewöhnlicher Mensch zurückzukehren. Trotz aller Warnungen ergreift er daher die Gelegenheit, für kurze Zeit seinen Körper mit dem eines Sterblichen zu tauschen. Aber der kommt nicht mehr zurück.
Bei seiner verzweifelten Suche nach dem Körperdieb steht Lestat nur sein Freund David vom Geheimorden der Talamasca zur Seite. Und die Zeit drängt, denn der Usurpator hat bereits eine blutige Spur quer durch die Vereinigten Staaten gezogen...

Beim neuerlichen Lesen fällt mir erneut auf, dass dies eigentlich das mit Abstand lustigste Buch in der ganzen Reihe ist. Das kommt nicht zuletzt durch den Kontrast zwischen David und Lestat zustande - David ist der vollendete Gentleman, der darauf besteht, Lestat die ganze deutsche Ausgabe über zu siezen und mit rührender Sorge zu umgeben.
Lestat dagegen... outet sich nicht nur als bisexuell ("Ich habe schon immer Männer und Frauen geliebt." (S. 357 meiner Ausgabe), sondern bedrängt den armen David körperlich und gedanklich so sehr, dass der ihn mehrmals auffordern muss, sich zu benehmen ("Hören Sie, es geht jetzt einfach nicht. Also benehmen Sie sich." selbe Seite *g*) und schließlich sein "sterbliches Gehirn von all diesen wüsten erotischen Bildern" zu säubern (selbe Seite).

Und ich frage mich, ob mir schon beim letzten Lesen aufgefallen ist, dass die falschen Identitäten von Lestat und David auch nicht ganz zufällig ausgesucht sind. Lestat ist als Sheridan Blackwood unterwegs - neeein, keine Andeutung auf Sheridan le Fanu (Autor von "Carmilla"), keine Andeutung auf die Blackwood-Farm und so... *G* Und David ist Dr. Alexander Stoker.
Als mir das aufgefallen ist, musste ich herzlich lachen...

Bei all der Komik kommt der Ernst nicht zu kurz - dass an mehreren Stellen der "Faust" erwähnt wird und dann die Nonne, die Lestats sterbliche Hülle gesundpflegt, ausgerechnet Gretchen heißt, ist kein Zufall und die hier diskutierten metaphysischen Dinge (Ist Gott allwissend, allmächtig und perfekt oder ergibt alles auf einmal Sinn, wenn man von einem Gott ausgeht, der auch mal Fehler macht? Gibt es mehr als einen Teufel? Hat der Teufel keine Lust mehr auf seinen Job? Ist die größte Kunst per se etwas Göttliches? Und wieso weigert Louis sich so standhaft, Lestat wieder zum Vampir zu machen, als der in seiner sterblichen Gestalt vor ihm steht?) sind nicht ohne und reizen zum Nachdenken und Philosophieren.