Rezension

Schuld und Erlösung

Leichtes Opfer - Roger Smith

Leichtes Opfer
von Roger Smith

Roger Smith, Schriftsteller, Regisseur und Produzent, erzählt in seinem neuesten Roman „Leichtes Opfer“ von zwei Familien in Kapstadt, deren Schicksal auf unheilvolle Weise verbunden ist. Es ist ebenso die Geschichte eines Landes, in dem es noch immer die Apartheid ist, die den Umgang der Menschen miteinander prägt, obwohl sie laut Gesetz doch schon längst überwunden sein müsste.

Liebe, Gewalt und Tod bestimmen das Leben nicht nur in den Elendsquartiere der Cape Flats sondern auch in den Nobelvillen in Newlands, dem Wohnviertel der Reichen, wo die Grundstücke durch hohe Zäune, Alarmanlagen und private Sicherheitsdienste abgeschirmt sind. Noch immer ist die Hautfarbe der Faktor, der über die gesellschaftliche Stellung entscheidet, und wenn ein Verbrechen geschieht, neigt die Polizei dazu, den Täter unter den Farbigen zu suchen.

Und genau diesen Umstand machen sich Beverly und Michael Lane zunutze, als sie eines Abends von ungewohnten Geräuschen alarmiert mitansehen müssen, wie ihr Sohn Chris im Blutrausch seine Freundin erschlägt. Beverly ergreift die Initiative, überlegt sich ein Szenario samt alternativem Mörder, brieft Mann und Sohn und präpariert den Tatort entsprechend bevor sie die Polizei informiert.

Es ist Lyndall, der drogenabhängige Sohn der langjährigen Hausangestellten, den Familie Lane zum Täter macht und der für Chris den Kopf hinhalten muss, ein Umstand, der bei Michael die heftigsten Schuldgefühle auslöst und ihn Abstand zu Frau und Sohn halten lässt. Aber auch Lyndalls Schwester Louise zweifelt an der Schuld ihres Bruders und beginnt herumzuschnüffeln. Und so beginnt eine Kette von Ereignissen, die Schuldige ihrer gerechten Strafe zuführen und Unschuldige zu Tätern werden lassen sowie Opfer auf beiden Seiten fordern. Die Protagonisten suchen Erlösung, laden aber immer größere Schuld auf sich.

Roger Smith schreibt gnadenlos direkt und schont weder seine Protagonisten noch seine Leser. Allzu zimperlich sollte man nicht sein, denn sowohl die Wortwahl als auch die Beschreibung der diversen Gewalttaten sind stellenweise sehr brutal. Aber das muss so sein und passt zu der Art, in der Smith seine Geschichten erzählt, mit denen er den Lesern außerhalb  Südafrikas die Zustände in seinem Heimatland aufzeigen will.

Der Plot und die Charaktere sind bis ins Detail äußerst differenziert angelegt und beschrieben, was alle Handlungen zu jedem Zeitpunkt schlüssig und nachvollziehbar macht. Von der ersten Zeile an wirft der Autor seine Leser mitten ins Geschehen und lässt die Geschichte über sie hereinbrechen, ohne Verschnaufpause, ohne die Möglichkeit der Distanz, mit einer Wucht, die ihresgleichen sucht.

Ein hochspannender, gesellschaftskritischer Thriller, der die Realität einer Gesellschaft beschreibt, die sich noch immer auf Ungleichheit, Rassengegensätze und Diskriminierung gründet.