Rezension

Gelungener Mix aus Krimi, Politthriller und „Milieustudie“

Blutgeld - Eystein Hanssen

Blutgeld
von Eystein Hanssen

Bewertet mit 4 Sternen

Spätestens nach diesem Buch weiß man sicher, dass unheimlich vieles auf dem schwarzen Kontinent genau eins nicht ist: nämlich schwarz. Oder weiß. Nein, es gibt kein schwarz/weiß, es gibt grau in wahnsinnig vielen Schattierungen. Und alles, was auf den ersten Blick logisch erscheint, wird bei genauerem Hinsehen diffus. So, als würde man zu lange in einen grauen Himmel sehen, so dass die Helligkeit vor den Augen zu flackern beginnt. So in etwa muss man sich diesen Roman vorstellen.

Die Grundsituation ist noch nachvollziehbar: Bei einer Drogenrazzia wird ein junger Afrikaner festgenommen, der in der Vernehmung von der Geiselnahme eines Norwegers durch afrikanische Guerillatruppen erzählt. Aber dann… Die Kriminalpolizei wird hellhörig. Das Außenministerium wird hinzugezogen. Die Geisel ist der Sohn eines schwerreichen norwegischen Industriellen. Irgendwie scheint Öl im Spiel zu sein… Ganz sicher sind mehrere afrikanische Rebellengruppen im Spiel. Und damit nimmt eine hochkomplexe Geschichte um die üblichen Faktoren – Geld, Macht, Einfluss – ihren Lauf.

Man muss sich wirklich konzentrieren, um der Handlung gut folgen zu können. Es mischen viele unterschiedliche Parteien, Gruppierungen, Einzelpersonen mit – das hat mich am Anfang etwas angestrengt. Auch, weil ich die vielen norwegischen und afrikanischen Namen zunächst nur schwer auseinanderhalten konnte. Oft musste ich kurz innehalten um zu überlegen, wer das denn jetzt war und in welchem Zusammenhang er schon einmal aufgetaucht ist. Aber das Durchhalten lohnt sich, denn nach dem ersten Drittel wird man mit den Figuren sicherer und es kommen nicht mehr so viele dazu. Das hat wieder mehr Lesefreude gegeben. Außerdem muss man dem Autor zugute halten, dass er es geschafft hat, trotz des schwierigen Themas einen gut lesbaren Erzählstil zu finden.

Man erfährt in diesem Buch viel über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikte in afrikanischen Staaten. Besonders das Thema Kindersoldaten wird recht schonungslos offengelegt. Das ist keine angenehme Lektüre – aber sicherlich eine Wahrheit. Besonders dafür muss man diesem Kriminalroman dankbar sein: dass hier Themen aufgegriffen werden, die der „Wohlstandseuropäer“ sonst gern bequem beiseite schiebt.

Deshalb hoffe ich, dass möglichst viele Leute diesen Roman lesen und sich darauf besinnen, wie gut es uns Europäern geht: mit klaren politischen Strukturen (auch wenn sie nicht jedem gefallen), mit einem funktionierenden Polizeiapparat (auch wenn er derzeit an Grenzen stößt), einer hochwertigen hygienisch-medizinischen Versorgung und mit dem Bewusstsein, dass wir nicht – wie so viele Afrikaner - jeden Tag ums nackte Überleben kämpfen müssen.  

Wer sich also für einen Blick über den Tellerrand interessiert – auch wenn er nicht angenehm ist – dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.