Rezension

Multikulti und der Alltagsrassismus

Miss Terry. Kriminalroman - Liza Cody

Miss Terry. Kriminalroman
von Liza Cody

London, lange Zeit Inbegriff einer multikulturellen Metropole, in der ein friedliches Neben- und Miteinander der verschiedenen Ethnien existiert. Dass dies allerdings eine Illusion war und ist, zeigt die Autorin Liza Cody in ihrem Roman „Miss Terry“ auf entlarvende Art und Weise.

Nita Tehri, von allen nur Miss Terry genannt, ist eine Engländerin wie aus dem Bilderbuch. Sie kommt aus Leicester, hat einen britischen Pass, führt ein unauffälliges Leben, arbeitet als Grundschullehrerin und hat sich den Traum von einer Eigentumswohnung in einem unproblematischen Viertel erfüllt. Aber, und jetzt kommt es, sie ist keine hellhäutige Weiße. Sie hat pakistanische Vorfahren und ist dunkelhäutig. Die üblichen rassistischen Bemerkungen, die sie im Alltag hören muss, sind bisher von ihr abgeprallt, aber das ändert sich, als Bauarbeiten in ihrer Nachbarschaft beginnen und ein riesiger Abfallcontainer vor dem Haus platziert wird. Dieser wird von den Anwohnern zwischen Nacht und Dunkel nicht nur als öffentlich zugängliche Müllentsorgungsanlage genutzt, sondern, von wem auch immer, als Ablageplatz für eine Säuglingsleiche. Und da das tote Kind ebenfalls dunkelhäutig ist, gehen alle, die ermittelnden Polizisten eingeschlossen, davon aus, dass es eine Verbindung zu Nita Tehri geben muss. Stück für Stück bröckelt die Fassade, bösartiger Klatsch wandelt sich zu offenem Rassismus. Anspucken, tätliche Angriffe, Jobverlust – das volle Programm. Obwohl schuldlos gehört sie nicht mehr dazu, steht trotz aller Anpassung plötzlich außerhalb. Die Gesellschaft zeigt ihr hässliches Gesicht.

Liza Codys Kriminalromane haben nichts mit den betulichen Beschreibungen gemein, wie wir sie so oft von britischen Autorinnen geliefert bekommen. Keine heimelige Atmosphäre mit Teatime, Scones und Sandwiches, sondern englischer Alltag mit allen negativen Begleiterscheinungen. Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile, misstrauisches Beobachten und Ausgrenzen, vor allem dann, wenn man nicht die richtige Hautfarbe hat. Und da hilft auch keine Anpassung bis zur Selbstverleugnung.

Obwohl bereits 2012 im Original erschienen, nimmt die Autorin viele hässliche Auswüchse vorweg, die sich nach dem Brexit in Großbritannien häufen, wobei die Sympathien der Leser immer bei der Protagonistin und ihren wenigen Unterstützern sind. Der Fall des toten Säuglings wirkt nur als Auslöser und scheint mir eher nebensächlich, viel beeindruckender und wichtiger ist die Gesellschaftskritik, die die Autorin in „Miss Terry“, wie auch bereits in ihrem Roman „Lady Bag“, ohne erhobenen Zeigefinger, aber dennoch oder gerade deshalb sehr eindringlich transportiert. Lesen!