Rezension

Ärzte und deren (schlimmste) Folgen

Ich war noch nicht dran
von Winfried Weigelt

Bewertet mit 4.5 Sternen

Himmel und Hölle, ich wollte doch noch nicht sterben. Stark wie ein Baum, ohne größere Blessuren war ich durch das Leben gekommen. Ich musste zwar Schläge und auch Schicksalsschläge einstecken, aber diese Sache hätte mich beinahe geschafft. Das warum ich, warum ich, warum ich, warum ausgerechnet ich, hat mich über Monate beschäftigt. Ich habe mich das 10 Mal, 100 Mal, ja 10.000 Mal gefragt. Doch es gab und gibt nur eine einzige Antwort: Ich war noch nicht an der Reihe. Mein Krankheitsbild hätte ausgereicht, mehrere Menschen gleichzeitig in den Tod zu schicken, nicht nur mich allein. Nach meiner Auffassung spielten Überforderung, Unachtsamkeit, falscher Stolz, Selbstüberschätzung, vielleicht auch die Gier nach Profit des auslösenden Krankenhauses bei der Verkettung von Komplikationen, die sich stark potenzierten und mich für 189 Tage am Stück an das Krankenbett fesselten, eine große Rolle. Die Statistik beinhaltet u. a. 14 Tage künstliches Koma, 14 Tage Krankenhaus-Keim MRSA (Staphylococcus aureus), knapp 9 Wochen in der Intensivstation, 5 Monate künstliche Ernährung, 1 Jahr künstlicher Ausgang, 36 Vollnarkosen, 3 Groß-Operationen, einige kleinere Eingriffe, Untersuchungen wie CT, MRT und was es noch so alles gibt, Bluttransfusionen, 500 verschiedene Spritzen ... … Nach weiteren Versuchen den Schaden zu beheben, also den Darm nähen, und weil er immer noch nicht dicht war, nochmals nähen, was diesem Krankenhaus aber auch nicht gelang, wurde ich dann sieben Minuten nach Zwölf, mehr tot als lebendig, von dem verursachenden Krankenhaus endlich in das Klinikum in Singen verlegt. Das war meine Rettung.

Das Cover des Buches ist sehr einfach gemacht und nicht ein wirklicher Hingucker, dies macht allerdings der Inhalt des Buches mehr als wett.

Der Schreibstil des Autors ist sehr gut, man merkt in jedem Satz, dass die Geschcihte ihn selbst betrifft.

Zudem sind auch die dazugehörigen Befunde in diesem Buch abgebildet - und das unzensiert.

Manchmal macht der Autor zwar Zeitsprünge, diese störten den Lesefluß aber keineswegs.

Einziger Fehler: Der Autor hat mehrmals "Katheder" statt "Katheter" geschrieben, was aber teilweise entschuldigt wird, da er ja keinem medizinischen Beruf angehört; allerdings hätte er dies auch von den Befunden abschreiben können (die auf der anderen Seite aber auch einige Fehler aufweisen).

Die Erklärungen der medizinischen Begriffe entstammen meist dem Internet (Wikipedia).

Besonders interessant ist auch das letzte Kapitel, das sich nicht mit dem Schicksal des Autors selbst befasst, sondern mit dem deutschen Gesundheitssystem als Ganzen.

Fazit: Sehr lesenswertes, berührendes Buch - 4,5 Sterne