Rezension

Eine Frau kämpft sich durch

Die Herberge von Ivy Hill - Julie Klassen

Die Herberge von Ivy Hill
von Julie Klassen

Bewertet mit 5 Sternen

„...Das Dorfleben ist wie Efeu an einer alten Eiche. Wenn sie dem Efeu die Wurzeln abschneiden, vertrocknen die Blätter. Wir sind alle miteinander verbunden...“

 

Wir schreiben das Jahr 1820. In dem kleinen Ort Ivy Hill lebt Jane Fairmont Bell. Sie ist seit einem Jahr Witwe. Ihr Mann John hat ihr die Herberge hinterlassen, doch dort kümmert sich momentan ihr Schwager Patrick um die Geschäfte. Drei Tage später kommt Thora Stonehouse Bell, Janes Schwiegermutter, zurück nach Ivy Hill. Sie war nach dem Tode ihres Sohnes zu ihrer Schwester gezogen. Deren Lebensverhältnisse haben sich aber geändert. Zwischen Thora und Jane allerdings herrschten früher latente Spannungen.

Dann erscheint der Bankier Mr. Blomfield bei Jane. Er teilt ihr mit, dass ihr Mann ein Darlehen von 15000 Pfund aufgenommen hatte. Eine Verlängerung sei nur möglich, wenn Jane innerhalb von drei Monaten ein Geschäftsprojekt vorlegt, dass höhere Einnahmen der Herberge ermöglicht. Ansonsten empfiehlt er ihr, das Haus zu verkaufen.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich zügig lesen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Jane stammt aus einem begüterten Haus. Sie hat unter ihrem Stand geheiratet. Ihr Mann John wollte, dass sie zu Hause bleibt und nicht in der Herberge mitarbeitet. Nach seinem frühen Tod ist sie wie gelähmt. Die neue Situation allerdings fordert von ihr eine schnelle Entscheidung.

Thora dagegen kennt sich in den Abläufen der Herberge sehr gut aus. Sie ist den Umgang mit dem Personal gewöhnt. Auch sie ist Witwe, doch das Haus ging damals an ihren Sohn. Thora ist sehr selbstbewusst.

Der Schriftstil des Buches ist ausgereift. Sehr ausführlich wird das Leben auf einem englischen Dorf beschrieben. Mit obigen Zitat macht Gabriel Locke, der Pferdetrainer, Jane klar, wie sehr die Dorfbewohner davon abhängig sind, dass es der Herberge gut geht. Einerseits bietet sie Arbeitsplätze, andererseits sichert sie unter anderem dem Fleischer und dem Bäcker ein regelmäßiges Einkommen. Gleichzeitig sind auch die Beziehungen im Ort sehr diffizil. Alte Freundschaften, Eifersucht und veränderte Lebensverhältnisse wirken unmittelbar auf alle ein.

Als Jane aus ihre Lethargie aufwacht und um den Erhalt ihres Erbes kämpft, zeigt sich, auf wen sie sich verlassen kann. Trotzdem bleibt das Verhalten einiger Personen undurchsichtig. Dazu zählen ihr Schwager Patrick und Gabriel Locke. Auch die Verwendung des Darlehens bleibt lange im Dunkeln. Kurze Einblicke in die Vergangenheit informieren darüber, wie John gestorben ist. Gut wiedergegeben wird, wie Jane und Thora nach und nach Verständnis für den anderen zeigen. Nur zusammen haben sie eine Chance, den Forderungen der Bank nachzukommen. Christliche Fragen spielen nur margínal eine Rolle.

Positiv zu erwähnen ist außerdem die Karte von Ivy Hill, die sich am Anfang des Buches befindet.

Das Cover mit der Ortsansicht wirkt ansprechend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, was mit gemeinsamen Tun möglich ist.