Rezension

Das letzte Jahr des 2. WK aus Sicht eines 16-jährigen - erschütternder und berührender Zeitzeugenbericht in Romanform.

Am Ende dieses Jahres - Anja May

Am Ende dieses Jahres
von Anja May

Bewertet mit 5 Sternen

Über Freundschaft, Todesangt und eine verlorene Kindheit in der Zeit des 2. WK

Schlesien 1945: Uhrmacherlehrling Anton Köhler würde lieber eine Geige in der Hand halten statt eine Waffe. Doch als um Neujahr 1945 die Rote Armee seinem Heimatort immer näher rückt, wird er zusammen mit seinen Altersgenossen als Wehrmachtshelfer eingezogen und schließlich aus Breslau hinausgeführt. Für Anton und seinen besten Freund Gerhard beginnt ein langer und gefährlicher Weg, der sie mit feindlichen Luftangriffen und der Grausamkeit der eigenen Landsleute konfrontiert. Aber Anton ist entschlossen, seine Familie wiederzusehen. Als sie auch noch an die Front geschickt werden sollen, trifft er die Entscheidung, zu fliehen…(Klappentext)

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In diesem Jugendroman hat die Autorin die Erlebnisse ihres Großvaters niedergeschrieben, welcher im letzten Kriegsjahr des 2. Weltkrieges als 16-jähriger eingezogen wurde - für den Endsieg, für den Führer, für das Deutsche Reich.
Diese Erlebnisse hat Anja May in einem erschütternden und zugleich berührenden Roman verpackt.
Ein Roman gegen das Vergessen und um vielen dieser damals jungen Burschen eine Stimme zu geben.

Ich selbst habe oft den Geschichten meines Großvaters gelauscht, der das gleiche Schicksal teilte - junger Bursch als Scharfschütze, nur weiter im Osten und anschließend in russ. Gefangenschaft.
Über Vieles wollte und konnte er jedoch nicht sprechen und in diesem Roman wird klar weshalb.

Erzählt wird aus der Sicht des 16-jährigen Jungen Anton Köhler - in der HJ ausgebildet und dann in Lehre zum Uhrmacher geschickt, bester Freund von Gerhard und gerade das erste Mal verliebt. Vom Krieg selbst noch verschont geblieben, bis auf die leise Bedrohung im Hintergrund durch die Russen, die immer näher rücken.
Einer von denen die nicht mehr an den Endsieg und den Führer glauben und nur darauf warten, dass der Krieg endlich zu Ende geht.
Doch der Führer sammelt noch seine letzten Reserven, um sein Reich nicht kampflos aufzugeben. Diese Reserven sind 15-16jährige Burschen, welche innerhalb weniger Wochen zu Soldaten ausgebildet und an die Fronten geschickt werden. Kinder die kaum ihre Tornister und Gewehre schleppen, geschweige denn russische Panzer aufhalten können.
Zu diesen Jungen zählt auch Anton Köhler.

Mit ihm durchläuft der Leser die Ausbildung zum Soldaten, die Entwicklung eines unschuldigen Burschen zu einem Erwachsenen innerhalb eines Jahres.
Man durchlebt mit ihm Bombeneinschläge, die ständige Todesangst im Rücken, Verlust von Kameraden, Flucht, Hunger und Müdigkeit, welche seine ständigen Begleiter sind.
Doch man erlebt mit ihm auch was es heisst Leben zu wollen, selbst in dunkelsten Zeiten Hoffnung zu haben, das Gefühl von Freundschaft und Kameradschaft.

Der Schreibstil ist flüssig und die Charaktere äußerst fein gezeichnet.
Die Autorin schafft es, die Gefühle und die Erlebnisse des Hauptprotagonisten einzufangen und an den Leser zu transportieren. Somit taucht man regelrecht in die Geschichte ein - fiebert mit, sieht Bombenkrater und den Feind vor Augen, spürt nach einem Bombeneinschlag Erdklumpen auf sich regnen. Man taucht ein in das Leben eines 16-jährigen Soldaten in der dunklen Zeit des 2. Weltkrieges.

Fazit:
Dies ist ein Jugendroman der ganz besonderen Art, der meiner Meinung nach in keinem Bücherregal fehlen darf und nicht nur von Jugendlichen gelesen werden sollte.
Ein authentischer Zeitzeugenbericht in Romanform, der vielen damaligen Jugendsoldaten eine Stimme gibt und gegen das Vergessen wirkt - erschütternd und berührend zugleich.
Ein Roman über das Erwachsenwerden, Freundschaft und Hoffnung, in einer Zeit wo es fast keine Hoffnung mehr gab und Kinder die zu schnell erwachsen werden mussten.
Von mir gibt es daher eine absolute Leseempfehlung für diesen Jugendroman, dem es nicht anzumerken ist ein Debüt zu sein.