Rezension

Sturm über Norderney

Inselcocktail - Anja Eichbaum

Inselcocktail
von Anja Eichbaum

Bewertet mit 5 Sternen

„...Es ging um mehr als ein Zeichen, es ging um Richtigstellung und Wiedergutmachung, um Vergeltung und Warnung. Es wird Menschen geben, die das verstehen und mir dankbar sein werden...“

 

Daniela ist Friseuse. Mit dem Schiff ist sie unterwegs nach Norderney, um dort in ihrer Lieblingspension ein paar Tage Urlaub zu machen. Auf dem Schiff lernt sie Ruth Keiser kennen. Die ehemalige Kriminalistin und jetzige Kriminalpsychologin fährt als Referentin zu einer Fortbildungsveranstaltung.

Und dann ist auf dem Schiff noch ein Unbekannter. Er hat ein besonderes Wochenende geplant. Dazu hat e r vier Damen auf die Insel eingeladen.

Die Autorin hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Das Buch hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Die Protagonisten werden sehr ausführlich charakterisiert. Marthe, Danielas Pensionswirtin, ist eine Seele von Mensch. Sie möchte es ihren Gästen so schön wie möglich machen. Das ist nicht einfach, da die Pension genau wie ihre Besitzerin schon in die Jahre gekommen ist.

Merle, die in der gleichen Pension wie Daniela wohnt, ist Geocacherin. Auf ihr Äußeres legt sie nicht viel Wert.

Dörthe dagegen, die von ihrem Mann, einem Arzt, geschieden ist, ist sehr von sich überzeugt. Das versucht sie vor allem durch ihr Erscheinungsbild auszudrücken.

Constance ist Lehrerin. Sie hat das nötige Selbstbewusstsein, vermisst aber einen Mann an ihrer Seite. Häufig telefoniert sie mit einer Freundin. Deren Rat in einer besonderen Situation gibt das folgende Zitat wieder:

„...Versuchungen sollte man nachgeben. Man weiß nie, wenn sie wiederkommen...“

Juliane, die vierte im Bunde, ist sich zunehmend sicher, dass die Reise ein Fehler war. Sie vermisst ihren kleinen Sohn.

Am nächsten Morgen wird Merle tot am Strand gefunden. Die Zu- und Umstände erfordern besondere Maßnahmen, denn die Insel steht kurz vor einem Orkan. Jede Verbindung zum Festland wurde gekappt. Martin Ziegler, der Polizist der Insel, und Ruth Keiser, übernehmen die Ermittlungen. Beide kennen sich gut.

Der Schriftstil des Buches ist ausgereift. Sehr anschaulich wird die Insel mit ihren Besonderheiten sowie die Eigenheiten ihrer Bewohner beschrieben. Einige der Lokale klingen verlockend. Für den Sturm und seine Folgen findet die Autorin passende Metapher. Die Gedanken des Täters, die Abgeschlossenheit, das raue Wetter und der Zeitdruck sorgen für einen hohen Spannungsbogen. Schnell wird klar, was der Täter vor hat. Seine Motivation aber bleibt lange im Dunkeln. Das Eingangszitat stammt von ihm. Es provoziert mehr Fragen, als sich Antworten daraus ableiten lassen.

Sehr detailliert darf ich die emotionalen Kämpfe der Protagonisten miterleben. Marthes Betroffenheit wegen der Toten, Julianes Sehnsucht nach dem Sohn, Dörthes Überheblichkeit sind wichtige Punkte. Immer wieder wird erwähnt, dass Johannes, wie sich der Unbekannte nennt, die Frauen über soziale Medien bewusst ausgesucht hat. Geschickt passt er seine Pläne den geänderten Wetterumständen an. Erstaunlich fand ich, wie sich die Frauen manipulieren ließen, jede mehr oder weniger. Nur Juliane probt kurzzeitig den Aufstand.

Der Krimi hat mir ausgezeichnet gefallen. Sehr gekonnt hat die Autorin das wirkliche Geschehen verschleiert und damit für eine handfeste Überraschung gesorgt.