Rezension

Brecht at his best - ein kurzweiliges Lesevergnügen

Geschichten vom Herrn B. - André Müller Sen., Bertolt Brecht, Gerd Semmer

Geschichten vom Herrn B.
von André Müller sen. Bertolt Brecht Gerd Semmer

Bewertet mit 4 Sternen

Der Komponist Paul D., der von Herrn B. nicht nur zahlreiche Stoffe für seine Kompositionen, sondern auch die Kleidertheorie übernommen hatte, sah ihn eines Tages besorgt an und fand, Herr B. sehe schlecht aus. „Ja, das stimmt“, sagte Herr B. „Sie sehen besser aus und werden mich zweifellos überleben. Aber ich frage: Wozu?“

Bert Brecht gehört – gewiss nicht zu Unrecht - zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern und Dramatikern des vergangenen Jahrhunderts. Besonders seine lehrreichen Keuner-Geschichten werden den meisten ein Begriff sein. Der Eulenspiegel Verlag nahm sich Brechts Todestag, der sich 2016 zum sechzigsten Male jährt, zum Anlass, um die Anekdotensammlung des Autorengespanns Müller & Semmer in frischer Aufmachung als Neuauflage herauszubringen.

Bereits der Titel lässt erahnen, dass die vorliegenden Geschichten in einem Keuner-Gestus verfasst sind, was zweifellos die Besonderheit dieser Sammlung ausmacht. So werden alle auftretenden Personen lediglich mit Initialen des Nachnamens genannt. Das Bild, das sich hierbei von der Person Brecht gemacht werden kann, ist vielseitig: Frauenheld, Rebell, Denker, Provokateur, Moralist und vieles mehr. Nicht immer kommt er sympathisch daher, sondern zeigt sich sowohl mit positiven als auch negativen Charakterzügen; es scheint beinahe, als habe er bewusst die Rolle eines Regisseurs in eigener Sache übernommen, um der (Nach-)Welt das Bild eines eigensinnigen und streitbaren Mannes zu bieten.

Grob umrissen lässt sich sagen, dass die Schilderungen von Brechts Jahren am Theater, von Gesprächen mit Freunden, Kollegen und „Feinden“, sowie von seiner Schulzeit handeln. Eine gute Portion Humor lockert die Moralität, die in vielen Situationen gefunden werden kann, gekonnt auf und macht einen gewissen Charme aus, den Brecht besaß und ihn somit auf Augenhöhe begegnen lässt.

Herr B. war ein guter Schüler. Er liebte es, seine Aufsätze mit Goethe-Zitaten zu belegen, um seinen Ansichten größeren Nachdruck zu verleihen. Die Zitate erfand er selbst. Trotzdem fiel er nie auf, weil kein Lehrer zugeben wollte, dass ihm ein Goethe-Werk unbekannt sei.

Auf den letzten Seiten lässt sich in einem Glossar nachschlagen, welche auftretenden Personen hinter den Initialen stecken. Obgleich es alphabetisch sortiert ist, fand ich es ein wenig unübersichtlich, da diese theoretisch nach den Nachnamen geordnet, aber beginnend mit den Vornamen gelistet sind. Darüber könnte man natürlich hinwegsehen, aber ich fand es nicht sehr geschickt gelöst.

Mit dem Büchlein kam eine facettenreiche und gelungene Anekdotensammlung, die einen Einblick in Brechts Leben, Schaffen und Kopf gewährt, zustande, die sich wunderbar für zwischendurch eignet und flott lesen lässt. Somit ist das schmale Buch besonders für Brecht-Fans geeignet, aber auch für diejenigen, die Gefallen an Anekdoten haben, zu empfehlen. Mir bereitete die Sammlung ein kurzweiliges Vergnügen.

Freunde von Herrn B. rätselten über die alte Streitfrage: Was ist Kunst? Nach langer Debatte sagte einer ärgerlich: "Alles Quatsch. Kunst ist, wenn man mitten in die Stube scheißt." Herr B. horchte auf und begann zu überlegen "Nein", sagte er. "Kunst ist, wenn man unter Beifall mitten in die Stube scheißt."