Rezension

Das ABC der Honora Lee

Die Anarchie der Buchstaben - Kate DeGoldi

Die Anarchie der Buchstaben
von Kate DeGoldi

Bewertet mit 5 Sternen

"Die Anarchie der Buchstaben" erzählt die Geschichte der sehr aufgeweckten und kecken 9-jährigen Perry, die einen straff organisierten Wochenplan hat. Plötzlich bricht das Donnerstagsangebot weg und all die Anstrengungen der Mutter, vielleicht doch noch einen Schwimmkurs oder Ähnliches zu finden, bleiben unerfüllt. Aber da kommt Perry selbst schon die Passende Idee. Wie wäre es denn wenn sie die Donnerstag Nachmittage künftig bei ihrer Großmutter im Pflegeheim Santa Lucia verbringt ? Zunächst halten die Eltern das für keine gute Idee, denn Oma Honora Lee leidet an Demenz. Und doch geben sie nach und denken sich: Warum eigentlich nicht ?
Und so kommt es, das Perry ab sofort jeden Donnerstag im Santa Lucia verbringt.

Ihre Großmutter, das muss sie schnell lernen, ist eine etwas unwirsche Frau, die wirklich so ziemlich alles vergisst. Sie kann sich zum Beispiel nie daran erinnern wer Perry eigentlich ist und echauffiert sich auch darüber, das Perry doch eigentlich ein Jungenname ist. Perry tut das alles mit einem Schulterzucken ab und hat stattdessen eine großartige Idee, wie sie Oma eine Freude machen und ihr helfen könnte, damit sie nicht immer alles vergisst.

Und so beginnt sie, gemeinsam mit den Schwestern, Pflegern, Bewohnern des Santa Lucia ein ABC Buch zu schreiben. Aber nicht irgendeines. Sondern ein sehr eigenwilliges, in dem sich die Buchstaben nicht an die richtige Reihenfolge halten und die entsprechenden Worte alle einen Bezug zum Santa Lucia haben.

Dieses Büchlein ist mit seinen nur 160 Seiten wirklich sehr dünn, aber stark im Inneren. Ich hatte ehrlich gesagt überhaupt keine Erwartungen an die Geschichte und bin deshalb völlig unvoreingenommen eingestiegen und habe Perry erst einmal kennengelernt.
Und auch ihre Eltern. Die enge Bindung zum Vater war für mich recht schnell greifbar, die Beziehung zur Mutter fand ich allerdings höchst fragwürdig, denn hier hatte ich das Gefühl, das sie Perry gerne ein bisschen abschiebt, wahrscheinlich weil Perry kein einfaches Kind ist.

Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das sie vielleicht eine leichte Form von Autismus oder das Asperger Syndrom haben könnte, was ich überwiegend an ihrer Art des Malens, an ihrem festen eingefahrenen Tagesablauf und auch an ihren teilweise doch recht speziellen Interessen festmache.

Vielleicht irre ich mich auch und sie ist einfach schlichtweg nur ein aufgewecktes und sehr neugieriges und wissbegieriges Kind. Im Endeffekt ist das auch egal, denn Perry ist superklasse, genau so wie sie ist. Sie geht mit offenem Herzen durch die Welt und wird für die Bewohner und das Pflegepersonal im Santa Lucia recht schnell ein fester Bestandteil.

Das Buch ist wirklich herzallerliebst und wunderbar geschrieben, hat aber auch eine deutliche Botschaft. Nämlich die, das wir weniger in Schubladen denken und uns gerade in Bezug darauf ein Beispiel an den Kindern nehmen sollten. Ich finde, der Unterschied wie wir als Erwachsene die Welt sehen und wie sie auf Kinder wirkt, wird von Kate de Goldi hier sehr gut dargestellt. Während Perrys Vater sich nämlich manchmal schon fast dazu zwingen muss, seine Mutter im Pflegeheim zu besuchen, geht Perry freiwillig und gerne dort hin. Während ihr Vater nicht weiß, wie er mit der Demenz seiner Mutter umgehen soll, nimmt Perry diese einfach so hin, auch wenn das bedeutet, das sie ihrer Oma jede Woche aufs neue erklärt, das sie trotz kurzer Haare und ihrem Jungennamen eben kein Junge und ihre Enkelin ist. Auf Erwachsene wirkt sowas sicher frustrierend und macht traurig, während Kinder solche Dinge einfach hinnehmen und einfach froh sind, über die Zeit, die sie mit diesem geliebten Menschen verbringen.

Für mich ist das Buch mal wieder ein Appell an mehr Gelassenheit, an weniger Vorurteilsdenken, daran Dinge einfach so hinzunehmen wie sie sind, was man im Alltag ja gerne mal vergisst.

Zudem ist es eine charmante Geschichte mit einer wirklich tollen Protagonistin die man schnell ins Herz schließt und somit ist auch "Die Anarchie der Buchstaben" mal wieder ein rundum gelungenes und absolut lesenswertes Königskind.