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Sich selbst ein ewiges Rätsel

Es war einmal Indianerland - Nils Mohl

Es war einmal Indianerland
von Nils Mohl

Bewertet mit 5 Sternen

Es war einmal Indianerland

Nils Mohl
Flexibler Einband: 345 Seiten
Erschienen bei Rowohlt Taschenbuch, 25.01.2011
ISBN 9783499215520
Genre: Jugendbuch
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Rezension: (16)
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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

S.J. Watson , Ulrike Wasel
Fester Einband: 464 Seiten
Erschienen bei Scherz, 23.08.2011
ISBN 9783651000087
Genre: Krimi und Thriller
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Hagen von Tronje

Wolfgang Hohlbein , Jörg Huber
Fester Einband: 442 Seiten
Erschienen bei Ueberreuter, C, 01.01.1986
ISBN 9783800022663
Genre: Fantasy
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Sich selbst ein ewiges Rätsel

Der Roman "Es war einmal Indianerland" erzählt von zwei Ferienwochen aus dem Leben eines Siebzehnjährigen. Bereits das Buchcover impliziert eine Art urbanen Existentialismus, die Notwendigkeit, sich selbst zu entwerfen, eine Suche nach der eigenen Identität, nach dem Platz in der Welt, verloren inmitten der übermächtig scheinenden Häuserschluchten. In dem beschriebenen Zeitraum kämpft sich der als Hobbyboxer engagierte Jugendliche im wahrsten Sinne des Wortes durch sein Leben. In postpubertärem Hormonüberschwang fühlt er sich hin- und hergerissen zwischen zwei jungen Frauen, einerseits ist da er die verführerische, verwöhnte Jackie, die er im Schwimmbad kennenlernt, während ihm die in einer Videothek angestellte Edda schöne Augen macht. Eine schwere Last wird ihm aufgebürdet, als sein Ziehvater seine Mutter ermordet, und alles kulminiert in einem an ein indianisches Stammestreffen angelehntes Jugendfestival ...

Der Inhalt mag kurz und relativ unspektakulär sein, eine Geschichte über das Erwachsenwerden in der Vorstadt. Was den Roman jedoch aus der Masse einschlägiger Jugendliteratur hervorhebt, ist seine sprachliche Komposition, das Arrangement der einzelnen Erzählelemente zueinander, die Zerlegung eines an sich linearen Handlung in ein buntes Mosaik an dahingeworfenen Erlebnissen. Auf den ersten Blick wie zufällig wirkend, bildet diese Anordnung jedoch eine vom Autor wohl durchdachte Struktur. Die Form widerspiegelt den Inhalt, unterstreicht ihn dadurch, entreißt ihn seiner Banalität, wertet ihn auf. Durch den ganzen Roman hindurch sind Symbole ausgestreut, die in indianischer Manier aufgelesen und gedeutet werden wollen.

Was zunächst ins Auge fällt, ist die ungewöhnliche Form des Textes. Das Buch ist untergliedert in zwei Abschnitte, betitelt mit "Krieger" und "Grenzen", die jeweils wieder in Kapitel unterteilt sind, die Titel wie "Die erste Karte" oder "Was zum Fall Zöllner in der Zeitung steht" tragen. Dabei wird die an sich geradlinig ablaufende Handlung kunstvoll in kurze Sequenzen zerlegt, die mit Bediensymbolen eines Videorecorders eingeleitet sind (Stop, Play, Forward, Rewind) und auf den ersten Blick wie beliebig durcheinandergewürfelt wirken. Tatsächlich verdeutlicht jedoch diese Auflösung der strikten Linearität die Wiedergabe der Ereignisse aus dem Gedächtnis des Ich-Erzählers. Der Leser erlebt die letzten beiden Ferienwochen als Erinnerungsfilm, in dem immer wieder vor- und zurückgespult wird, weil immer stets neue Aspekte an die Oberfläche des Bewußtseins dringen.

Ganz der Video-Analogie verpflichtet ist auch der zeitliche Aspekt des Romans: Die sich über zwei Wochen erstreckende Handlung zerfällt in kurze filmartige Szenen, in denen die erzählte Zeit jeweils der Erzählzeit entspricht. Dabei dominiert die von außen wahrnehmbare Figurenrede, eine Schilderung des Innenlebens der Figuren erfolgt nur in der Form, daß sie durch äußere Ereignisse widergespiegelt werden. Alle Zeitangaben sind relativ, das Ferienende dient dabei als Flucht- und Orientierungspunkt.

Ein faszinierender Aspekt des Romans ist die Symmetrie der beiden Teile. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis impliziert bereits, daß jedem Kapitel des ersten Abschnitts eines aus dem zweiten zugeordnet ist. Im Verlauf der Handlung durchlebt der Ich-Erzähler eine Initiation, es gibt ein Vorher und ein Nachher. Die in verschiedenen Elementen auftretende Dualität trägt zusätzlich dazu bei, sein Erwachsenwerden zu unterstreichen. So stehen beispielsweise die beiden Mädchen Jackie, die frivole verwöhnte Göre und Edda, die bodenständige, rational agierende junge Frau einander gegenüber. Im ersten Teil sekkieren als Cowboys verkleidete Buben den Ich-Erzähler und symbolisieren die ungestüme Kindheit, während im zweiten Abschnitt immer öfter ein Indianerhäuptling auftaucht, der den Ich-Erzähler lediglich aus seinen alten Augen zu mustern scheint.

Gerade was Edda anbelangt, scheint es sich hier um eine Ersatzmutter zu handeln. Über die tatsächliche Mutter des Erzählers ist nur bekannt, daß sie an Krebs gestorben ist, ebenfalls nur in der Opfferrolle tritt die aktuelle Gattin des Vaters, Laura Zöllner auf, die von diesem ermordet wird. Das dadurch entstehende Vakuum wird nun von einer jungen Frau gefüllt, die durch ihre Arbeit in einer Videothek der gesamten Geschichte als Überfigur dienen kann und deren Name Assoziationen zum großen Fundus der nordischen Mythologie weckt. Sie trägt eine Wildschweinbrosche, ist dadurch quasi mit animalischer Mütterlichkeit markiert. Sie verpaßt dem Erzähler eine Ohrfeige, stellt somit ein Autoritätsverhältnis her, nimmt durch die Züchtigung erzieherische Maßnahmen wahr. Außerdem scheitert zunächst der Geschlechtsverkehr zwischen den beiden. Dieser kommt erst zustande, als Edda versehentlich ein tatsächliches Wildschwein tötet, sich somit ihrer Mütterlichkeit entledigt.

In dieser Hinsicht ebenfalls relevant ist der Vater, der den Namen Zöllner trägt und der auch tatsächlich ín der diesem Namen entsprechenden Funktion an der Grenze zum Erwachsenwerden wacht und den Tribut für ihr überschreiten kassiert. Dieser Zoll ist nun dadurch entrichtet, daß die Mutter geopfert wird. Der Zöllner akzeptiert die Bezahlung, indem er die Fesseln des Ich-Erzählers, mit denen dieser eine (Initiations-)Nacht lang an einen Baum gebunden war, löst.

Der Autor verlangt viel vom Leser, wenn es darum geht, sich auf den Text einzulassen: Er kann weder als reine Jugend- noch als beliebige Gutenachtlektüre gelten. Er fordert, sich dem Text zu widmen, vor- und zurückzublättern, Passagen mehrmals zu lesen, die richtige Reihenfolge zu suchen, das Buch als Videokassette zu behandeln. Der Text schreit danach, verstanden zu werden ... dem Leser, der diese Forderung erfüllt, sich diese Mühe macht, öffnet sich jedoch eine wahre Schatzkiste an Symbolen zum unerschöpflichen Thema des Erwachsenwerdens.