Rezension

Sehr guter Ethno-Krimi

40 Tage Nacht - Olivier Truc

40 Tage Nacht
von Olivier Truc

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nach vierzig Tagen Polarnacht wird in Kautokeino in Lappland am 11. Januar zum ersten Mal für knapp 30 Minuten wieder Tag sein. In den knapp drei Wochen, in denen Klemet Nago und seine Kollegin Nina Nansen u. a. im Fall eines getöteten Rentierzüchters ermitteln, wird sich die Tagesdauer bis auf fünf Stunden verlängert haben. Nago arbeitet für die Rentierpolizei, eine Dienststelle, die länderübergreifend Konflikte um die Rentierhaltung samischer Züchter regeln soll. Der erfahrene Polizist Nago ist zwar Nachfahre von Sami, hat aber den Kontakt zur Kultur seines Volkes verloren, seit man ihn als Kind ins Internat schickte und seit sein Großvater die Zucht aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben musste. Nago zur Seite gestellt wird eine Berufsanfängerin, die aus Oslo stammt, und von der hier im Norden zunächst kaum jemand etwas hält. Ninas Unbedarftheit wirkte auf mich anfangs viel zu breit ausgewalzt; denn es liegt nahe, dass ein erfahrener Polizist sich mit einer jungen Kollegin erst zusammenraufen muss. Der Diebstahl einer samischen Trommel aus dem Haus eines Galeristen versetzt den Ort in Aufruhr. In wenigen Tagen wird in Norwegen eine UN-Konferenz stattfinden, zu der das Land sich in möglichst günstigem Licht zeigen will. Konflikte mit einer nationalen Minderheit sind deshalb denkbar unerwünscht; die Ermittler stehen entsprechend unter Druck.

Der gewaltsame Tod des Rentierzüchters Mattis lässt befürchten, dass die traditionelle Rentierzucht nicht allein die Kreise von Bergbaukonzernen und Bauunternehmen stört, sondern auch den Plänen einiger Einheimischer im Wege steht. Kurz bevor entscheidende Lizenzen für die Erzförderung verkauft werden, taucht in Nagos und Ninas Revier der französische Geologe Racagnol auf, der in der Branche für seine Rücksichtlosigkeit berüchtigt ist. Racagnol findet sich in einer vergleichbaren Situation wie die norwegischen Ermittler. Er hat Informationen über eine vielversprechende Erzfundstätte, die er im verschneiten Gelände eilig einem Flurstück zuordnen und dafür eine Lizenz beantragen muss. Für seine Erkundung braucht der Franzose die Ortskenntnis eines einheimischen Führers. Er nimmt es ausgerechnet mit Aslak auf, dem Fremde bisher nur Unglück gebracht haben und dem man Bärenkräfte nachsagt. Auch die Ermittler verfügen über Informationen, die sie erst mit Hilfe der Berufserfahrung einer Geologin einordnen können. Verbindungsstück zwischen den zu lösenden Rätseln scheint die Trommel zu sein, deren Geschichte bis zu Ereignissen des Jahres 1939 zurückreicht. Nago muss sich nun notgedrungen die Legenden seines betagten Onkels anhören, wenn er mit seinem Fall vorankommen will.

Fazit

Nach einem sehr gemächlichen Einstieg hat mich Trucs sorgfältig recherchierter Ethnokrimi doch unerwartet gefesselt. Der französische Journalist mit Wohnort Stockholm verknüpft seine Handlungsfäden aus Vergangenheit und Gegenwart zu einer schlüssigen Lösung und beeindruckt mit seiner Einfühlung in die einzelnen Familienschicksale. Unbedingte Empfehlung für Nordlichtliebhaber, die auch anstrengende Eigenheiten von Geologen tolerieren können.