Rezension

Alles beim Alten

Cold Water - Adrian Mckinty

Cold Water
von Adrian McKinty

Bewertet mit 5 Sternen

1990, viel hat sich nicht geändert in Nordirland. Noch immer ist die Gewalt tagtäglich präsent. Noch immer inspiziert Duffy den Unterboden seines mittlerweile nagelneuen 5ers nach Semtex. Noch immer kämpfen Katholiken und Protestanten gegeneinander. Noch immer werden Menschen die Kniescheiben zerschossen. Noch immer verschwinden Männer, Frauen, Teenager spurlos und niemand kümmert sich darum. „Die Neunziger können nicht schlimmer werden(…) Silberstreif, für’n Arsch.“

Alles beim Alten? Nein, nicht ganz, denn Sean Duffy ist auf dem Sprung. Weg aus Nordirland. Weg vom Carrickfergus CID. Weg aus der Coronation Road. Rüber nach Schottland. Mit Frau und Kind. Schluss mit dem Einsatz an vorderster Front, im reicht‘s. Gerade mal vierzig Jahre alt, aber katholisch, Bulle und Nordirland, das zählt so als wäre er siebzig. Also Halbtagsrente, sieben Tage im Monat, nur noch beratende Funktion und Kindermädchen für John Strong, den umgedrehten, paranoiden Spitzel.

Aber noch gilt es, einen letzten Fall zu lösen. Kat McAtamney, ein fünfzehnjähriges Tinkermädchen ist weg, spurlos. Fahrende verschwinden immer wieder und niemanden kümmert’s, nur eine weitere Ausreißerin. Nicht so Duffy. Gemeinsam mit „Crabbie“ McCrabban und Lawson, seinem Nachfolger, verbeißt er sich in den Fall und gibt nicht eher Ruhe, bis dieser aufgeklärt ist. So, wie wir es von ihm gewohnt sind.

Die Reihe um Sean Duffy neigt sich dem Ende zu, was ich mit größtem Bedauern zur Kenntnis nehme, ist es für mich doch eine der besten Serien, die auf dem Buchmarkt zu finden ist. Zum einen liegt das natürlich an der Hauptfigur, dem sympathischen, unangepassten, zynischen Detective mit Herz, zum anderen aber auch an den Fähigkeiten Adrian McKintys (in Belfast geboren und in Carrickfergus aufgewachsen), die “Troubles“, die Politik und deren Auswirkungen auf die Menschen in Nordirland en passant in seine Romane einzuarbeiten. Dazu braucht er keinen Holzhammer, manchmal reicht ein auf den ersten Blick belangloser Nebensatz. Diese gesellschaftspolitische Dimension der Reihe macht sie für mich besonders wertig, hebt sie sich damit doch von den üblichen Krimis/Thrillern, die ihr Augenmerk lediglich auf den Fall und dessen Aufklärung richten, deutlich ab.

Nicht zu vergessen, Duffys ausgeprägte Liebe zur Musik und seine umfangreiche Plattensammlung. Ganz gleich, ob Jazz, Klassik oder Rock/Pop, hat er alles und hat auch zu allem eine Meinung. Speziell zu Phil Collins und Bono, dem von den meisten Iren wegen seiner Steuertricksereien nicht sonderlich geschätzten Frontman von U2. Dieses wiederkehrende Element bringt mich immer wieder zum Schmunzeln. Und auch der Originaltitel „The Detective Up Late“ hat, wie bereits die sechs Vorgänger, einen Bezug zur Musik und ist einer Songzeile aus „Bad as me“, einem Song von Tom Waits entliehen.

Nichtsdestotrotz, schon wegen des Abschieds aus seiner protestantischen Nachbarschaft in der Coronation Road und dem Umzug nach Schottland, bereitet uns „Cold Water“ langsam, aber sicher, auf den Abschied von Sean Duffy und dem Carrickfergus CID vor. Zwei Bände sind noch geplant, aber das war’s dann, wenn man dem Autor glauben darf. Ich vermute, dass das Karfreitagsabkommen1998 den Schlusspunkt setzt, und das würde aus meiner Sicht auch Sinn machen. Auch wenn ich es jetzt schon bedauere.