Rezension

Fesselndes Gedankenspiel

Die kleinste Berührung - Kitty Kino

Die kleinste Berührung
von Kitty Kino

Bewertet mit 4 Sternen

„...Der menschliche Geist scheint in der Lage zu sein, eine Gefahr, die ihn nicht unmittelbar betrifft, zu verharmlosen, zu verdrängen, zu ignorieren. Was kann der einzelne schon tun?...“

 

Albert arbeitet als Kameramann für einen TV – Sender. Bei Katastrophen muss er schnell zur Stelle sein. Und die Katastrophen häufen sich. Soeben kam es zu einer Explosion und einem Brand in der U – Bahn. Doch es finden sich keine Spuren von organischen Material. Trotzdem werden Menschen vermisst.

Ines Tiefenbach ist Physiotherapeutin im Krankenhaus. Sie hat die Treppe statt dem Lift genommen und erlebt, wie es im Lift explodiert. Wieder wird nichts und niemand gefunden.

Dann begegnen sich die beiden. Zwischen ihnen baut sich eine Spannung auf, die sie zueinander treibt.

Die Autorin hat einen fesselnden Roman geschrieben. Sie stellt die Menschheit in eine bizarre Katastrophe und zeigt, wie der Einzelne darauf reagiert.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Mal ist er erzählend, mal kurz und prägnant, mal sehr bildhaft, das Wesentliche nur andeutend. Das zeigt schon das Zitat von der ersten Seite:

 

„...Gedanken streunen, noch nicht greifbar, durch das Chaos. Eine Ahnung steigt aus der Tiefe auf, schwebt, matt schillernd wie eine Seifenblase, durch Sternennebel...“

 

Die Menschheit nähert sich dem Phänomen auf zwei Wegen. Weltweit fragen die Physiker nach der Ursache des Geschehens. In der australischen Steppenlandschaft dagegen begibt sich ein Schamane zu den heiligen Stätten seines Volkes. Er kennt die alten Prophezeiungen.

 

„...Er weiß, dass die Zeit gekommen ist. Die ersten Vorboten sind schillernde Schlieren, die die Schwärze des Himmels durchziehen...“

 

Ossi, Alberts Assistent, erklärt dem die physikalischen Zusammenhänge.

 

„...Das Komplizierte an der Sache ist, dass es eigentlich gar keine Zukunft in dem Sinn gibt, wenn man das mit der Krümmung der Raum – Zeit versteht...“

 

Sehr genau werden die Reaktionen der Menschen wiedergegeben. Einerseits kommt es zu Abgrenzung und Isolation, andererseits suchen sogenannte Kamikazefahrer die Gefahr, ohne Rücksicht auf ihre Mitmenschen zu nehmen. Die Sensationsgier hat Hochkonjunktur. Und der Verwaltungsapparat kommt an sein Grenzen. Was wird mit dem Vermögen der Vermissten? Selbst in der Extremsituation funktioniert die Jagd nach materiellen Werten noch, während selbsternannte Propheten von einem Leben in höheren Dimension reden. Es entstehen völlig neue Geschäftsmodelle.

Und zwischen all dem stehen Albert und Ines. Albert, der geschieden ist und einen kleinen Sohn hat, kann die Augen nicht von Ines lassen. Deren Arbeitskollegin aber ist ebenfalls an Albert interessiert. Sehr gut stellt die Autorin dar, wie vielschichtig die Entscheidungen in privaten Bereich abgewogen werden müssen. Werden Albert und Ines aufeinander zugehen in dem Wissen, dass die erste Berührung ihrer beider Ende bedeuten kann? Welchen Einfluss hat die Vergangenheit auf ihre Entscheidung?

Gekonnt hinterfragt und kritisiert die Autorin an manchen Stellen unsere momentane Lebensweise.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es treibt eine physikalische Gesetzmäßigkeit auf die Spitze und stellt die Frage nach dem Sinn des Lebens.