Rezension

Nicht ihr bestes Werk

Mord im Spiegel - Agatha Christie

Mord im Spiegel
von Agatha Christie

Bewertet mit 3 Sternen

Miss Jane Marple ist kränklich und erhält von ihrem Arzt ein "Medikament", von dem man sich sehr gut vorstellen kann, das es ihr zusagt: Sie solle sich mit einem Mord beschäftigen, weil ihr das doch immer so viel Freude bereite und dies ihr guttäte.

Wie auf Geheiß geschieht bald darauf tatsächlich ein Mord in der näheren Umgebung: Ausgerechnet die Frau, die Miss Marple neulich nach einem Sturz so freundlich bei sich aufgenommen hatte, wird auf einem Fest der bekannten Regisseurin und Schauspielerin Marina Gregg durch einen Gift-Cocktail feige ermordet.War diese arme Frau tatsächlich das Ziel oder hatte es der Täter eigentlich auf Mrs. Gregg abgesehen, die ihren Cocktail scheinbar selbstlos dem späteren Opfer überlassen hatte nachdem dessen eigener Cocktail sich durch ein Versehen auf dem schönen Abendkleid ergoss. 

Um die Szene des verschüttet werdenden Cocktails herum haben Zeugen einen äußerst erschreckten Ausdruck auf Mrs. Greggs Gesicht beobachtet. Hat sie etwa den Mörder gesehen?

Mich hat der Krimi ein wenig enttäuscht, ehrlich gesagt. Miss Marple war hier definitiv nicht die Hauptperson, die Handlung plätscherte teilweise nur so vor sich hin (besonders im mittleren Abschnitt) und die Geschichte vermittelt den Eindruck, als sei Agatha Christie beim Verfassen des Buches verbittert darüber gewesen, dass sich die Zeiten geändert haben. Das vorliegende Buch stammt aus dem Jahre 1962; Christe war also bereits 72 Jahre alt, hatte 2 Weltkriege und jede Menge gesellschaftliche Veränderungen miterlebt. Sie versucht, ihre Vorwürfe an die moderne Zeit durch ein wenig Humor aufzulockern (wie z.B. durch Miss Marples Eigensinnigkeit und ihre Haltung gegenüber ihrer nervigen Haushälterin), aber für meinen Geschmack kam das Bedauern über die weibliche Emanzipation, moderne Geräte, moderne Wohn- und Lebensformen usw. zu stark rüber, als dass ich darüber hinwegsehen könnte. Miss Marpel selbst bezeichnet sich in dem Band als konservativ nd spricht teilweise das aus, was als Haltung der Autorin mitzuschwingen scheint. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob Christie damals nicht auch Miss Marple schon zu offen für die neue Welt war -  aber das ist Spekulation.

Der Fall selbst entwickelt sich im letzten Drittel des Buches noch sehr interessant und ermöglicht eine überraschende Wendung. Auch Miss Marples Haltung gegenüber der Moderne scheint sich gegen Ende des Buches zu lockern und eine Entwicklung durchlebt zu haben, das fand ich hochinteressant!

"Mord im Spiegel" war sicherlich nicht Agatha Christies bestes Werk. Die Auflösung des Falls ist interessant, aber der Weg bis zur Auflösung eher langatmig und zäh. Die Sprache ist trotz des Alters des Buches relativ unumständlich zu lesen, allerdings kommen ein paar Begriffe vor, deren damalige Bedeutung man eventuell nachschlagen muss, um den Sinn vollumfassend zu begreifen. Die Charaktere waren alle unterschiedlicher Natur, aber die wenigsten wurden so ausführlich beschrieben, dass man sie sich lebhaft vorstellen konnte (damit meine ich weniger das Aussehen als die Antwort auf die Frage: "Was für eine Art Mensch ist das?"). Christie-Fans sollten dieses Buch sicherlich gelesen haben, aber solchen, die es noch werden wollen, würde ich dieses Buch sicher nicht zum Einstieg empfehlen, sondern eher ältere Bände.