Rezension

Positive Überraschung

Insel der Waisen - Laurel Snyder

Insel der Waisen
von Laurel Snyder

 Inhalt:

Jinny lebt gemeinsam mit acht weiteren Kindern auf einer kleinen paradisischen Insel.

Exotische Früchte hängen an den Bäumen, es gibt keine gefährlichen Tiere, jeder Bewohner hat seine Aufgabe, die zum täglichen Überleben der Gemeinschaft beiträgt. Kurzum: Ein kleiner Garten Eden, dessen Gesellschaft jedoch einmal im Jahr in ihren Grundfesten erschüttert - und gefordert wird.

An diesem einen Tag im Jahr legt ein grünes Boot mit einem Kind an Bord am Strand an. Das ist der Zeitpunkt, an dem es für einen der Inselbewohner – nämlich den Ältesten der Gruppe - Abschiednehmen heißt. Ein Austausch findet statt, bei dem ein neuer Ältester gekürt wird, der sich fortan um das in eben diesem Boot angespülte Kleinkind kümmern muss.

In diesem Jahr ist Jinny an der Reihe ihren Job als Mentor anzutreten. Als sie das erste Mal einen Blick auf das weinende Mädchen, das sich kurzerhand als Ess vorstellt, wirft, überkommen sie ihre Emotionen. Nicht nur, dass sie den Verlust ihres besten Freundes zu beklagen hat, auch muss sie nun, selbst noch ein Kind, die Verantwortung für eine andere Person übernehmen.

 

Meinung:

Laurel Snyder greift in ihrem Buch „Insel der Waisen“ einige sehr interessante Themen auf. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Jinny, die von einem Tag auf den anderen lernen muss, wie es ist, sich um ein kleines Kind kümmern zu müssen. Die kleine Ess wirkt bei ihrer Ankunft verstört, verwirrt und verängstigt. Hinzu kommt, dass sie die wichtigsten Regeln, die jeder Inselbewohner kennen sollte, noch nicht verinnerlicht hat. Jinny muss dem Kind also einiges beibringen und gerät dabei nicht selten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Der Fokus des Buches liegt ganz eindeutig auf der Thematik Kindererziehung. Jinny durchlebt während der Erziehung ihres Mündels jedoch ebenfalls eine innere Entwicklung. Sie lernt ihre eigene Ungeduld zu zügeln und somit zugleich auch über sich hinauszuwachsen. Das alles arbeitet Laurel Snyder schlüssig und gut nachvollziehbar heraus.

Laura Snyder beleuchtet das Motiv des „Abschied-Nehmens“ aus verschiedenen Perspektiven. So muss Jinny sich fragen, ob sie bereit ist, ihrem Mentor Deen (der Letzte, der gegangen ist) nachzueifern. Möchte sie die Menschen, die sie liebgewonnen hat, verlassen oder bleiben. Letzteres um den Preis, die vorgegebenen Regeln, die auf der Insel herrschen, zu durchbrechen. Welche Folgen könnte solch eine Entscheidung mit sich bringen? Jinny muss das Für und Wider ihrer Handlungsalternativen abwägen.

Während der Erziehung von Ess lernt Jinny, dass vor allem Freundschaft, Mitgefühl, Willensstärke und Teamwork wichtig für eine gute Gruppe sind. So wird Jinny stets von ihren Freunden begleitet, die immer dann einspringen, wenn das Mädchen an ihre Grenzen gerät.

Letztendlich überzeugen auch bei diesem Buch die sympathische Charaktere.

Die zielorientierte und pragmatisch denkende Joon, der stoische Ben. Und über allen, die kleine Ess, die vor allem durch ihren liebenswerten Charakter begeistert.

Mit dem Ende des Buches setzt Laurel Snyder ein Highlight, der das Buch zu einem Schatz im Bücherregal werden lässt.

 

Fazit:

Laurel Snyder schreibt mit „Insel der Waisen“ ohne religiösen Tenor eine moderne Variante der biblischen Vertreibung aus dem Paradies. Dabei schafft es die Autorin, nicht nur glaubhafte und sympathische Charaktere zu zeichnen, sondern auch authentisch Gruppendynamiken zu thematisieren.

Das Ende ist von unglaublicher Eindringlichkeit, die nachwirkt und festhält.

Für mich eine Empfehlung für Menschen, die sich für frühkindliche Entwicklung interessieren oder mit dem Thema Abschiednehmen konfrontiert sind.