Rezension

Sechs Jahre nach dem Krieg

Bündnis der Hoffnung -

Bündnis der Hoffnung
von Sibel Daniel

Der zweite Weltkrieg ist seit sechs Jahren zu Ende, als Gertrude kurz nach ihrem 16. Geburtstag beschließt, nach Frankreich von reisen. Ihre Familie scheint zu zerbrechen und alles im Chaos zu versinken. Gertrudes einzige Hoffnung: Gilbert, der französische Zwangsarbeiter, der einst bei ihnen auf dem Hof in einem kleinen schwäbischen Dorf gearbeitet hat. Gilbert soll der Familie helfen, wieder zur Normalität zurückzukehren. Denn Gilbert war einst in Gertrudes Schwester Klara verliebt, die inzwischen mit Ferdinand verheiratet ist. Ferdinand ist Künstler und ertränkt seine eigenen Sorgen gerne im Alkohol. Zu allem Überfluss kam auch seine Mutter mit ihm auf den Hof – eine jener Frauen, die auch zu Beginn der 50er Jahre immer noch glauben, Hitler sei am Leben und das dritte Reich würde wieder aufleben. Also reist Gertrude nach Frankreich, in ein Land, in dem ihr vor allem Hass entgegen schlägt. Einzig und allein wegen ihrer Herkunft.
Die Geschichte wird aus zahlreichen Perspektiven erzählt. Im Zentrum steht hierbei Gertrude, aus deren Sicht der Großteil des Buches geschrieben ist. Allerdings werden einzelne Teile auch aus Perspektive von weiteren Familienmitgliedern geschildert. Hierdurch erhält man beim Lesen auch einen Eindruck davon, was in Gertrudes Heimat passiert, während sie in Frankreich unterwegs ist. Hierdurch kommen Spannung und Abwechslung auf und die Geschichte erhält mehr Tiefgang.  
Die Figuren sind allesamt interessant charakterisiert. Von Gertrude über ihre Familie hin zu den Menschen, denen sie in Frankreich begegnet. Gertrude selbst eine mutige junge Frau, die sich blindlings in ihr Abenteuer stürzt und dabei immer wieder über sich selbst hinauswächst.
Ferdinand ist das Gegenteil davon. Feige flüchtet er sich in den Alkohol und wird zwischen Klara, seinen Träumen und seiner durch und durch unsympathischen Mutter zerrieben. Er ist zwar kein Sympathie-Träger, für mich persönlich war er nach Gertrude allerdings die spannendste Figur, weshalb ich ihn an dieser Stelle nochmal besonders hervorhebe.
Der Stil ist fesselnd und einfühlsam. Sibel Daniel ist es gelungen, die Stimmung der fünfziger Jahre und die Haltung vieler Franzosen gegenüber Deutschen einzufangen. Gefühlvoll beschreibt sie, wie es Gertrude mit dem Hass, der ihr entgegenschlägt ergeht. Die Hilflosigkeit und die Wut – denn Gertrude hatte mit den Verbrechen des Nationalsozialismus‘ nicht zu tun, war sie doch gerade mal 10 Jahre alt, als der Krieg ein Ende fand. Hier ist es der Autorin gelungen, in Worte zu fassen, was viele Menschen nicht mal richtig begreifen können.
„Bündnis der Hoffnung“ war seit langem mal wieder ein Buch, das ich nicht zu Ende lesen wollte, weil ich die Geschichte für immer hätte weiter lesen können. Obwohl es nach „Bündnis der Herzen“ der zweite Band der Reihe war, war es kein Problem, das Buch unabhängig davon zu lesen. Wobei mich das Buch in allen Bereichen so sehr überzeugt hat, dass ich Band 1 definitiv auch noch lesen werde.
Dieses Buch ist ein kleines Juwel, bei dem ich unglaublich froh bin, darauf gestoßen zu sein.