Rezension

1. Band der Tougard-Reihe

Seelenseher - Cornelia Franke, Dominic Franke

Seelenseher
von Cornelia Franke Dominic Franke

Bewertet mit 5 Sternen

Charlie Andrews ist ein typischer Außenseiter. In der Schule unbeliebt und Freunde hat er bis auf eine Ausnahme keine. Der er auf Muttersprachler-Niveau Englisch spricht und auch noch besser als sein Kunstlehrer zeichnen kann, machte ihm das Leben auf dem Gymnasium vom ersten Tag an schwer. Lediglich Ann Kreuz, eigentlich Annabelle, steht Charlie seit jeher zur Seite. Ann selbst hat ebenfalls eine Außenseiterposition in der schulischen Gemeinschaft inne, doch sie stört das nicht weiter. Doch nicht nur das belastet Charlie. Er wird in wenigen Wochen mit seiner Famlie nach London ziehen und weiß noch immer nicht, wie er es Ann sagen soll, denn eigentlich, ja eigentlich empfindet er für dieses ungewöhnliche Mädchen mehr als nur Freundschaft. Ann selbst ist ein Genie, wenn es um Mechanik geht, hilft sie doch ihrem Vater immer wieder bei der Reparatur von elektrischen Geräten. Gerne verbringt Charlie, der ein Einzelkind ist, seine Nachmittage bei Ann und ihrer Familie (sie hat sechs Geschwister, Tendenz steigend), denn dort ist immer was los und so sehr Ann auch in Naturwissenschaften begabt ist, so sehr versagt sie zum Beispiel in Englisch, sodass Charlie ihr hier Nachhilfe gibt.

 

An einem solchen Nachmittag ist es auch, als Charlie sich bei Ann verletzt und sich plötzlich an einem fremden Ort wiederfindet. Begrüßt wird er an diesem Ort, der ihm als "Tougard" benannt wird, von einem gewissen Frederick Trench, einem Protektor. Charlie glaubt an einen Traum, auch wenn er sich nicht ganz sicher ist, wann und wo er eingeschlafen ist, doch ihn fasziniert dieser Traum, sodass er darauf eingeht. Bei "Tougard" soll es sich um eine Paralleldimension handeln, in der die Zeit anders läuft, als auf der Erde. Ein Jahr in "Tougard" entspricht einem Jahr auf der Erde und Charlie wäre dorthin gekommen, weil er eine besondere Gabe besäße und dort ausgebildet werden solle. Seine besondere Gabe besteht darin, dass er heilen kann, denn nur dadurch, dass er sich von seiner Verletzung bei Ann selbst heilte, gelangte er in diese Dimension.

 

Die anfängliche Annahme, dass es sich bei seiner Reise nach "Tougard" um einen Traum handelt, muss er jedoch bereits am nächsten Tag revidieren, denn es scheint tatsächlich einen solchen Ort zu geben und er ist dort. Er ist jedoch nicht allein. Insgesamt befinden sich zweihundertvierundzwanzig Begabte hier und alle verfügen über die unterschiedlichsten Gaben. Schnell schließt er Freundschaft mit seinem Zimmergenossen Daisuke, der eine Art Fährtenleser ist. Neben Charlie selbst, gibt es noch vier andere Heiler in "Tougard", es handelt sich somit um eine eher seltene Gabe. Doch schnell muss er feststellen, dass es in "Tougard" nicht viel anders zugeht, als in einer normalen Schule. Da gibt es Lehrer, die allgemein unbeliebt sind, hier ist es ein gewisser Mr. Peel und auch Cliquenbildung ist dort vertreten und dennoch fühlt sich Charlie in "Tougard" deutlich wohler, als in der realen Welt, nur eines fehlt ihm bzw. eine: Ann. Als Charlie von Raphael Valente, einem Schüler eines höheren Jahrgangs, zu einer Einführungsmutprobe aufgefordert wird, nimmt er diese an, denn wenn er diese besteht, hat er die Möglichkeit, in seine Welt zurückzukehren. Tatsächlich gelingt Charlie das, was vor ihm erst einmal geschah - er landet wieder in Anns Zimmer und nimmt sie schlussendlich mit nach "Tougard", denn seine Zeit in der realen Welt mit ihr ist wegen des Umzugs gezählt, doch in "Tougard" könnten sie noch Jahre zusammen sein, ohne dass sie sich trennen müssten. Anns Ankunft in "Tougard" wird nicht von allen gut aufgenommen, zumal sie es nicht geschafft hat, aus eigener Kraft dorthin zu kommen, sondern nur dank Charlies Hilfe. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass auch Ann über eine Gabe verfügt, noch seltener, als die von Charlie. Ann hat die Gabe der Mechanik, sie kann Dinge reparieren und neu erschaffen. Voller Begeisterung für die sich ihr bietenden Möglichkeiten, beschließt auch Ann, in "Tougard" zu bleiben, doch was weder sie, noch Charlie ahnen: Es gibt eine Prophezeiung, die den Tod der Mechanikerin vorhersagt ...

 

 

1. Band der Tougard-Reihe! Der Plot wurde spannend und abwechslungsreich erarbeitet. Im Besonderen hat mir gefallen, dass Charlie, der in der realen Welt ein Außenseiter ist, in Tougard nur einer von vielen ist und die Möglichkeit hat, für sich noch einmal neu anzufangen und tatsächlich gelingt ihm das, was ihm in der realen Welt nie gelungen ist - er findet Freunde, die für ihn da sind und er findet Lehrer, die ihn um seiner selbst willen fördern und nicht nur stur ein Unterrichtsprogramm durchziehen (naja, bis auf eine Ausnahme ^^). Die Figuren wurden facettenreich und realistisch erarbeitet. Natürlich, wie sollte es anders sein, schlug mein Herz für Charlie, der es bisher im Leben, trotz wirklich guter Voraussetzungen, nicht gerade leicht hatte und endlich an einem Ort angekommen ist, an dem er sich selbst entfalten und zeigen kann, was in ihm steckt. Ich muss gestehen, regelrecht begeistert war ich von den "Türmännchen", die es in Tougard gibt. Solch einem Wesen würde ich gerne persönlich mal begegnen, doch ob es mich einlassen würde? Den Schreibstil kann ich nur als spannend und fesselnd beschreiben, es war mir fast unmöglich, das Buch auch nur kurzfristig aus der Hand zu legen, so sehr hatte mich die Geschichte samt packendem Schreibstil in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Nun hoffe ich natürlich, dass die Fortsetzung nicht allzu lange auf sich warten lässt, denn ich denke, Charlie und seine Freunde haben noch einige Abenteuer zu bestehen, bis sie ihre Ausbildung in Tougard abgeschlossen haben.