Rezension

16 Jahre später

Ein Gardeleutnant
von Karl May

Bewertet mit 5 Sternen

Die Zeit vergeht und aus dem kleinen Kurt ist mittlerweile ein hochdekorierter Gardeleutnant geworden, der trotz seiner bürgerlichen Herkunft höchste Protektionen genießt. Kaum in Berlin eingetroffen trifft er auf den Seeräuber Landola, der sich jetzt als Spion versucht. Eigentlich hoffte Kurt etwas über das Schicksal seines Mentors Sternau zu erfahren, doch er deckt gefährliche Machinationen gegen Preußen auf.

 

Es gibt wohl kaum einen Abschnitt in Karl Mays-Werken, den ich so oft gelesen habe wie gerade diesen. Die Ereignisse in Berlin sind so farbig und genial geschrieben, dass mich alleine schon der Gedanke an sie wieder zu diesem Buch greifen lässt.

Mit Kurt hat Karl May es geschafft einen Charakter zu schaffen, der den omnipotenten, perfekten Helden Sternau noch übertrifft und dabei bleibt er erstaunlicherweise auch noch glaubwürdig. Im vorherigen Band ließ er Sternau einen einzigen Fehler machen, der es Kurt ermöglicht zum strahlenden Helden aufzusteigen. Äußerst interessant wird er zum jüngeren Spiegelbild seines Mentors. Sogar das Duell, dass Sternau im vierten Band ausgetragen hat, wird im vorliegenden durch Kurt wiederholt. Jetzt könnte man davon ausgehen, dass mit diesen Wiederholungen nur Seiten geschunden werden, doch Karl May schafft es gekonnt durch die Verknüpfung des fiktiven Abenteuers mit den historischen Ereignissen den Spannungsbogen zu halten. So bleibt die Geschichte stimmig und hält den Leser in ihrem Bann.

Der vorliegende Band bietet nicht nur den Aufbau der neuen Hauptfigur, sondern treibt die große Familientragödie voran, indem der zweite Teil des Buches das Schicksal Don Ferdinandos als Sklave in Harrar erzählt. Jetzt kommt Bewegung in die Geschichte. Die Helden sammeln sich, zum finalen Schlag gegen die Brüder Cortejo – so glaubt man, doch ein Blick auf die Bandnummer zeigt: Es ist erst der fünfte von zehn! Karl May hat noch einige Überraschungen im Gepäck.

Kaum eine Buchreihe hat mich je so gefesselt wie das Waldröschen-Epos! Spannend, vielseitig und auch nach vielen Rereads immer noch für eine Überraschung gut. Ich mag die Münchmeyer-Romane Mays! Sie sind beste Abenteuerunterhaltung. Niemals langweilig, immer wieder mit typischen Helden – wie dem Apachenhäuptling Bärenherz und dem Mixteka-Häuptling Büffelstirn – aber auch Charakteren, die weniger mit seinen bekannten Schöpfungen zu tun haben – wie dem knurrigen Oberförster Rodenstein und dem schneidigen Gardeleutnant Kurt.

Karl May hat so viel mehr als Indianerromantik und Orientabenteuer zu bieten – und er schafft es immer wieder seine Lieblingssujets mit neuen Elementen lebendig zu halten.