Rezension

3 deutsche Frauen - 3 Schicksale in Amerika

Das Glück am Ende des Ozeans - Ines Thorn

Das Glück am Ende des Ozeans
von Ines Thorn

Bewertet mit 4 Sternen

Wir schreiben das Jahr 1867 und in Bremen legt ein Schiff ab in Richtung Amerika - Zielhafen New York. An Bord befinden sich 3 Frauen, auf dem Weg in ihr neues Leben.

Annett ist die Tochter eines Bergbauingenieurs und einer Mutter mit Hang zu Höherem. Sie hat eine gute Schulbildung genossen und ihre große Leidenschaft ist die Mathematik. Da sie als Frau in Deutschland niemals würde studieren dürfen, schicken ihre Eltern sie nach New York. Dort soll sie dem Ehepar Roebling als Sekretärin zur Hand gehen, die gerade mit dem Bau der Brooklin Bridge sehr großes Aufsehen erregen.

Aufgrund einer Überbuchung ist Annetts Kabine auf dem teuren Oberdeck schon besetzt und so sucht sie sich notgedrungen auf dem Zwischendeck eine Schlafmöglichkeit. Dort pferchen sich 400 Passagiere auf engstem Raum zusammen, gegenüber ca. 170 Personen auf dem Oberdeck. Entsprechend sind die hygienischen Zustände. Aber es hilft nix - Annett hat keine andere Wahl als sich dort ein Bett zu suchen.

Gottwitha kommt aus einer Amisch-Familie und ist gerade alt genug um verheiratet zu werden. Da sie in ihrer Gemeinde als tugendlos gilt, schickt der Vater sie nach Amerika. In Pennsilvania haben sich vor einigen Jahren einige Onkel von Gottwithas Vater in einer Amisch-Gemeinde angesiedelt und dort herrscht nun Frauenmangel. Die strenggläubige Gottwitha kommt mit den Zuständen auf dem Zwischendeck überhaupt nicht zurecht und sucht bei Annett Halt und Zuflucht.

Susannes Ehemann Michael Kraus möchte sich im Westen Amerikas dem Goldgräbertreck anschließen. Auch Susanne wurde von ihrem Vater zwangsvermählt und ihr Mann Michael ist ein versoffenes und prügelndes Stück Dreck ('tschuldigung, aber anders kann man ihn wirklich nicht beschreiben). Bei jeder sich bietenden Gelegenheit schlägt er Susanne, erniedrigt sie, taucht ihren Kopf ins Wasserfass und in der Nacht vergeht er sich an seiner schwangeren Frau.

Als eines Nachts Susanne auf dem Deck frische Luft schnappen möchte, wird sie - mal wieder - von ihrem Mann angegangen. Zufällig sind auch Annett und Gottwitha auf dem Deck und stellen sich schützend vor Susanne. In dieser Nacht werden die 3 zu Freundinnen ........

Nachdem die "Vineta" in New York angelegt hat, trennen sich die Wege der 3 Frauen. Sie versprechen sich, in Kontakt zu bleiben, aber außer Annett weiß niemand, wohin ihr Weg sie führen wird. 

In den Kapiteln wird abwechselnd von einer außenstehenden Person die Geschichte von Annett, Susanne und Gottwitha erzählt.

Annett hat es wirklich am besten getroffen, denn sie ist als einzige der 3 Frauen freiwillig nach New York gekommen. Deswegen stürzt sie sich mit Feuereifer in ihr neues Leben und ihr Aufgabengebiet im Haus der Roeblings.

Gottwitha wird am Hafen in New York von ihrem zukünftigen Ehemann abgeholt. Nach 3 Tagesreisen kommen sie endlich in ihrem Amischdorf an, aber Gottwitha wird hier leider nicht mit offenen Armen empfangen. Ihr Tagesablauf ist bestimmt von den Dingen, die eine amische Frau zu tun hat. Montags Wäsche waschen, dienstags Butter herstellen, mittwochs Brot backen und so hatte jeder Tag seine Arbeit. Ansonsten musste sie gottgefällig und ihrem Manne zu Diensten sein. Der Sonntag hält dann jedoch eine ganz besondere Sache für sie bereit

"Nur einmal in der Woche, an jedem Sonntagabend, rollte er sich auf sie und vollzog den ehelichen Akt, der nicht länger als eine Minute dauerte und sich anfühlte, als führe man in einer schlechtgefederten Kutsche über Katzenkopfpflaster. (S. 207) "

So sehr sie sich auch bemüht, sie kann es niemandem im Dorf recht machen. Am wenigsten ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter.

Susanne, die in New York ohne Mann und nur mit Baby im Bauch an Bord geht, schließt sich einer Gruppe Huren an, um mit dem Planwagen Richtung Westen - Richtung Goldgräberstädte - zu fahren. Unterwegs bekommt sie ihr Kind und freundet sich mit den leichten Mädchen und Miss Joyce an. Als sie nach einer mühsamen Reise in Oak's Hill, einer kleinen Goldgräberstadt, ankommen, beschließt Susanne zu bleiben und sich dort einen Traum zu verwirklichen.

"Das Glück am Ende des Ozeans" fällt genau in mein Beuteschema. Ich liebe solche Auswanderer-Geschichten.

Die Autorin Ines Thorn hat hier sehr schön das Schicksal 3er Frauen aufgeschrieben. Jede der Figuren ist glaubhaft beschrieben und mich hat das Leben von Gottwitha in der Amisch-Gemeinde am meisten angesprochen. Für mich unvorstellbar, dass man - als Frau - so leben kann und mag. Aber damals war das nun mal so, dass man als Frau nix zu melden hatte und dem Manne untertan sein musste. Nach jedem Buch aus dem Bereich "historischer Roman" bin ich zutiefst dankbar, heute leben zu dürfen.

Ein ganz klein wenig mehr Spannung hätte dem Buch nicht geschadet und das, was Susanne zum Schluss passiert, hätte entweder ganz wegfallen dürfen oder ein paar Seiten mehr und größere Beachtung finden können.

Alles in allem aber ein schönes Buch, das mich über einige Stunden wirklich gut unterhalten hat.