Rezension

A nice try

Dirty Writing. Vom Schreiben schamloser Texte - Ines Witka

Dirty Writing. Vom Schreiben schamloser Texte
von Ines Witka

Das Team war stets bemüht. Leider konnte mich das Ergebnis weder überzeugen noch helfen, das Thema zu meistern.

Ich war sehr auf das Buch gespannt und hoffte, dass ich damit erotische Szenen überzeugend schreiben lernen konnte. Leider kam es anders.

Das Konzept ist recht überschaubar: Die Themen sind in der Reihenfolge des Alphabets geordnet. Für jeden Buchstaben gibt es einen kurzen Text von 1-2 Seiten, begleitet von entsprechenden Bildern (z.B. aus Kamasutra, Bilder einiger Maler des XIX Jh., Fotos der Sexspielzeuge, einer Burleske, etc.), ein Gedicht, eine Kurzgeschichte als Einstimmung auf die darauffolgenden Übungen.

Ein interessantes wie bereicherndes Kapitel auf S. 23-26 bespricht Metaphern, wie div. Früchte, Blumen, Garten insg., die im Laufe der Geschichte in einigen Ländern verwendet wurden, wenn es in den Schriftstücken um die Beschreibung von Sex ging.

Ganz gut und informativ fand ich das Kapitel „Lust im Wandel der Zeiten“, S. 134-135, der einen griffigen Überblick zum Thema liefert.

Eine klare, kurze Darstellung des Der-Akt-Modells, das woanders zu einer unmöglichen Klobigkeit schon mal aufgebläht wurde, gibt es auf S. 156.

Eine gelungene Kurzgeschichte auf S. 153-155 und ein schönes Zitat von Novalis: „Die Welt muss romantisiert werden…“, etc. fand ich auf S. 178, wie eine Menge von Assoziationen, z.B. wenn das Schreiben mit Ausdauersportarten u. ä. verglichen wird. Das gab’s auch schon woanders.

Was ich für weniger gelungen erachte:

Der methodisch-pädagogischer Aspekt und Konzept.

Die Kurztexte vor Übungen. Mal sind es die Ratschläge für besseres Schreiben, die schon woanders und ausführlicher besprochen worden sind, wie z.B. „Show, don’t tell“ auf S. 119 oder eine für mich streitbare Erklärung der Erzählperspektiven S. 169, mal sind es Ratschläge zum besseren Sex, z.B. S. 145, 224, mal etwas dazwischen.

Bei Schreibübungen wie bei den Texten dazu musste ich die Frage des Zielpublikums stellen. Vermutlich sollte es Anfängerniveau sein, wenn o.g. Punkte erklärt werden. Für Anfänger allerdings sind manche Übungen schon recht anspruchsvoll. Und manche Aufgaben sind nur aufgrund der im Buch gegebenen Erläuterungen kaum zu bewältigen, wie z.B. S. 207-208. Von einer kurzen Erklärung, was ein Subtext sein soll, wird kurzerhand zum geschriebenen Dialog hinübergelangt und das Kernbedürfnis einer Figur noch hinzuaddiert. Das alles auf einer halben Seite. Um dann die Aufgabe auf S. 208 zufriedenstellend zu meistern, müsste man schon einiges mehr übers Schreiben wissen (und können), am besten gleich Sol Stein & Co. vorher zu Gemüte geführt zu haben.

Das Konzept.

Das hpts. auf dem freien Assoziieren (in anderen Quellen auch Clustering genannt) der zum Thema passenden Begriffe basierende Konzept kam mir recht fadenscheinig vor und konnte mich aus diesem Grunde weder überzeugen noch helfen, das Schreiben zu diesem speziellen Thema zu meistern.

Die Videoreihe, die Übungen und erst recht die sich oft widerholende Anforderung, sich zu entspannen und loszuschreiben, haben Potential, eher den gegenteiligen Effekt zu erzielen, was in meinem Fall auch geschah. Meist endeten die guten Absichten in der inneren Ablehnung. Von Inspiration keine Spur.

Es gilt auch zu bedenken: als Anfänger sich gleich am Thema Erotikschreiben zu versuchen ist schon m.E. eine sehr gewagte Unternehmung mit oft fraglichem Ausgang. Um Erotik gut zu schreiben, muss man schon recht vieles auf dem Gebiet Schreiben können. Daher finde ich das Konzept des Buches insg. recht fraglich: als Anfänger soll man sich gleich an einem mitunter schwierigsten Thema quasi die Zähne ausbeißen.

Die Gestaltung des Buches.

Diese verdient m.E. extra Punkteabzug. Das Buch ist (zu) fest gebunden und lässt sich schwer offenhalten. Für ein Arbeitsbuch wäre es sehr praktisch, wenn man es problemlos vor sich offenliegen lassen könnte. Doch das geht kaum. Man müsste schon die feste Bindung aufreißen. Außerdem ist das Buch an sich schwer, da recht dicke Seitenblätter. Wenn man gewohnt ist, das Buch während des Lesens vor Augen zu halten, muss man kräftige Hände haben.

Nach jeder Aufgabe gibt es meist 1-2 leere Seiten. Zu wenig, wenn man loslegen würde und zu viel, da eine Menge an (fast) leeren Seiten mitgeliefert wird. Außerdem fühlt man sich gleich auf die vorgegebene Seitenanzahl beschränkt, was im Gegensatz zum allgegenwärtigen Aufruf steht, frei und ohne Rücksicht auf Grammatik, etc. loszuschreiben. Viele Leser können auch einfach nicht im Buch schreiben. Das ginge auch nicht gut, da das Buch sich schwer offenhalten lässt.

Auf den (fast) leeren Seiten sind mal Sexspielzeug mal Masken, mal Schuhe, mal schwimmende Spermien, etc. abgebildet. Auf mich wirkte diese Spielerei eher verstörend. Das angestrebte Ziel der Inspiration war also wieder verfehlt.

Paar „Kleinigkeiten“:

Einige Wiederholungen, z.B. Unterschied zw. Erotik und Porno wie auf S.167 hätte man meiden können, da der Punkt schon zu Anfang ausführlich genug diskutiert wurde. Da gibt es noch andere Themen, die zu Anfang und wieder zu Schluss besprochen wurden.

Ich mochte vielerorts das Vokabular, den Ausdruck nicht, wie die starke Fixierung auf die Physis. Ich konnte mit dieser Sicht der Dinge insg. nicht viel anfangen. Diese Art erreichte mich schlicht und einfach nicht.

Fazit: Es ist unschwer zu erkennen, dass das Team (Autorin, Verlegerin, etc.) stets bemüht war. Leider konnte das Ergebnis mich weder überzeugen noch helfen, auf dem Gebiet besser zu werden.

Für andere Leser*innen mag es evtl. ein gutes Übungs- und Inspirationsbuch sein. Ich bleibe mit viel Wohlwollen bei drei Sternen.