Rezension

"Aber vielleicht brauchen wir das Böse, um das Gute zu erkennen"

Neid - Arne Dahl

Neid
von Arne Dahl

„Neid“ ist nach „Gier“ und „Zorn“ der dritte Teil der auf vier Bände angelegten Reihe des schwedischen Autors Arne Dahl, in deren Mittelpunkt die Fälle der Opcop-Gruppe stehen, einer länderübergreifenden Spezialeinheit, deren Koordination in den Händen Paul Hjelms liegt. Dieser wird zum einen von Mitgliedern seines alten A-Teams und zum andren von herausragenden Spezialisten aus verschiedenen europäischen Ländern unterstützt. Ihre Fälle sind immer kompliziert, und die Ermittlungen werden üblicherweise verdeckt und sehr oft im rechtsfreien Raum durchgeführt.

Einfache Whodunit-Lektüre waren die Bücher Dahls noch nie, ihn interessiert das Warum, und so arbeitet er in seinen engagierten und gesellschaftspolitische Themen reflektierenden Kriminalromanen immer mit einer Vielzahl von Personen und Handlungssträngen, wobei er die unterschiedlichsten Themen im Fokus hat. Drei umfangreiche Handlungsstränge dominieren „Neid“:

Die aktuelle Operation des Opcop-Teams in Amsterdam, bei der Menschenhändler mit Verbindungen zur 'Ndrangetha im Mittelpunkt stehen. Diese verschleppen im großen Stil Angehörige der Roma aus Rumänien und schicken sie in den europäischen Städten zum Betteln und auf Diebestouren.

Der gewaltsame Tod eines hochrangigen Wissenschaftlers, der an einer bahnbrechenden Erfindung im Bereich der Elektromobilität forscht. Ihm wird auf offener Straße die Kehle durchgeschnitten, und ein Bettler nimmt das Smartphone, auf dem er seine Ergebnisse gesichert hat, an sich und verschwindet spurlos damit, nicht wissend, welch sensible Daten er damit in Händen hält.

Der Fall der EU-Kommissarin, deren Karriere auf dem Spiel steht und deren Reputation durch das Auftauchen einer delikaten Fotografie in höchstem Maße gefährdet ist.

Arne Dahl benötigt nicht nur Zeit sondern auch die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers, bis der komplexe Plot seines Thrillers entwickelt ist. Verpackt in eine unglaublich spannende Handlung führt er uns eine postdemokratische Gesellschaft vor Augen, in der es nur noch um Gewinnmaximierung geht und ein Menschenleben nichts mehr zählt.

Er demaskiert das hässliche Gesicht des von unersättlicher Gier angetriebenen Neoliberalismus, wenn sich die Skrupellosigkeit Bahn bricht und alle Hemmschwellen fallen. In dem Moment, in dem die Interessen der Plutokraten bedroht sind, sind keine Unterschiede mehr zwischen den Machenschaften der Großkonzerne und denen der „normalen“ Kriminellen auszumachen.

Und doch sieht man am Ende trotz schmerzlicher Verluste auch Teilerfolge, gibt es Hoffnung, denn wie lässt der Autor eine seiner Figuren sagen: „Aber vielleicht brauchen wir das Böse, um das Gute zu erkennen“.