Rezension

Abgefahrener Trip mit tollem Antihelden

Das Clean Team - Charlie Huston

Das Clean Team
von Charlie Huston

Bewertet mit 4 Sternen

Zufallskäufe können eine tolle Sache sein. Ganz klar. Man entdeckt so Bücher, von denen (bzw. derem Autoren) man im Leben noch nichts gehört hat. So auch in diesem Fall, Charlie Huston war mir bislang kein Begriff und dementsprechend war “Das Clean Team” für mich auch ein ziemlicher Blindflug. Die können natürlich positiv überraschen – müssen es aber nicht zwangsläufig.

Glücklicherweise kann man aber recht schnell Entwarnung geben, denn Huston hat es sehr schnell geschafft, mich in seinen Bann zu ziehen. Er wirft den Leser mit Höchstgeschwindigkeit mitten in die Geschichte, ohne große Erklärungen, wer Hauptfigur Web ist und was er überhaupt macht. Dafür nimmt er sich dann aber nach dem kurzen Prolog die nächsten 180 Seiten Zeit – und lässt auch dabei keine Langeweile aufkommen, obwohl die Geschichte bis dahin eigentlich nicht einmal besonders actionreich ist. Tempo kommt trotzdem auf, Spannung auch… und die Action wird dann auf den folgenden Seiten auch ausgiebig nachgeholt, an der Geschwindigkeitsschraube gedreht und ein kleines, absurdes Feuerwerk von unglücklich verketteten Zufällen abgebrannt. Sehr gelungen, bis zum Ende spannend und ohne merkliche Durchhänger, dafür aber mit einer Menge bissigen, wenngleich auch manchmal etwas stumpfen, Humor.

Die Figuren in “Das Clean Team” sind dabei genau so wichtig für das Gelingen des Buches wie die Story selbst. Mit Web hat Huston einen tollen Anti-Helden geschaffen, der vor Zynismus nur so übersprüht (was aber, wie oben bereits angedeutet, sehr ausführlich und irgendwie nachvollziehbar begründet wird) und eigentlich eine unglaubliche Arschloch-Attitüde an den Tag legt. Trotzdem kommt er sehr sympathisch rüber und kann tatsächlich als Identifikationsfigur gesehen werden. Auch seine Wegbegleiter sind durch die Bank markante, eigenständige Figuren mit Wiedererkennungswert. Auch sie kommen eigentlich mit einem ziemlich guten Hintergrund daher, auch wenn im Fall von Gage ziemlich viel Mysterium dabei ist – was aber nicht störend wirkt, da es gut zur Figur passt. Alle haben allerdings gemein, dass sie mitunter sehr überdreht wirken, was aber gut in den Kontext der Story passt.

Handwerklich kann man sich über Charlie Huston eigentlich auch nicht beschweren. Grundsätzlich ist sein Stil sehr eingängig und gut zu lesen. Man sollte sich aber bewusst machen, dass der Mann eigentlich ein Drehbuchautor ist und das schlägt sich hier und da auch in der Schreibweise nieder. So ist es anfangs doch sehr gewöhnungsbedürftig, dass die wörtliche Rede nur von Gedankenstrichen angezeigt wird. Dadurch kommt zumindest zu Beginn hier und da mal etwas Verwirrung auf, besonders in Szenen mit vielen Akteuren. Dennoch ist “Das Clean Team” keine schwere Kost. Zartbesaitete sollten sich übrigens vom Setting rund um den Tatortreiniger Web nicht abschrecken lassen. Ja, Huston hat diverse, nicht gerade harmlose, Gewaltspitzen in seiner Story verbaut – diese sind aber tatsächlich nur Spitzen und so wird man nicht permanent mit einem Blutgemetzel überschüttet. Anmerken sollte man vielleicht, dass mir die Übersetzung mitunter etwas wörtlich geschrieben scheint. Wie sonst kommt man auf den Fluch “Fickende Hölle”? Macht aber nichts, ist vielleicht eher unfreiwillig komisch, passt aber in diesem Fall trotzdem gut.

Fazit:

“Das Clean Team” ist ein abgefahrener Trip, der in erster Linie durch Hauptfigur Web gestemmt wird. Man sollte als Leser also ein Faible für Antihelden haben. Zudem sollte man sich direkt bewusst machen, dass die Schreibweise Charlie Hustons nicht dem Standard entspricht und hier und da vielleicht auch einmal etwas anstrengend sein kann – ist man aber erstmal in der Geschichte, lässt sie einen dann auch nicht mehr los und ist sehr unterhaltsam.