Rezension

Abgefuckte Milieustudie

Isabel - Feridun Zaimoglu

Isabel
von Feridun Zaimoglu

Bewertet mit 4 Sternen

"Isabel" von Feridun Zaimoglu, Jahrgang 1964, hat es immerhin auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2014 geschafft. Bei moderner Literatur, bzw. bei experimenteller Literatur, die hier ohne Frage vorliegt, frage ich mich häufig, wird sie je höher bepreist, desto unverständlicher und grässlicher (von der Sprache her) sie ist? Könnte man meinen, denn der Autor - ein zweifach abgebrochener Student - schreibt einen Roman in Satzfragmenten. Trotzdem kommt man nach kurzer Schnappatmung gut rein in die Atmosphäre und ich habe mich als Wahlbrandenburgerin und also Fastberlinerin kurzerhand auf den Alex katapultiert gefühlt.

Berlin. Eine Frau. Migrationshintergrund. Für den Westen jung, für den Osten alt. Ausgestiegen. Abgestiegen. Mit Hündin. Die schnappt. Ruby, Hund, Isabel, Frau, am Alexanderplatz. Sich rumtreiben mit dem Pöbel. Arme Leute. Essens-Stuben. Kleiderkammern. Herumgeschubst werden. Gerüche. Derbe Worte. Wehrhaft. Verdorben im Verderben. Trotzdem Mensch(en). // Ein Mann. Afghanistanheimkehrer. Maulhalter. Duckmäuser. Heroisch. Unschuldig schuldig. Albträume. Frau weg. Kind weg. Abgefuckter Job im Wachdienst. // Eine Notsituation von vielen. // Begegnung. Mann. Frau.

Der Stil von Feridun Zaimoglu ist nicht ganz so abgehackt wie hier nachgestellt, aber großartige Erklärungen und Hintergründe darf man nicht erwarten. Es ist nicht ganz leicht, in den kurzen Roman reinzukommen und die Halbsätze möglichst wertfrei auf sich wirken zu lassen, aber die Milieustudie ist (trotzdem) geglückt.

Fazit: Moderne Literatur zum Abgewöhnen? Keineswegs. Aber nichts für jeden Tag. Nichts für jedermann.

Kategorie: Moderne Literatur
Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2014