Rezension

Abgründe der Seele

Verschwunden -

Verschwunden
von Sabine Thiesler

Bewertet mit 5 Sternen

Wie in einem Alptraum gefangen sind Gitta und Elmar Wengler, als ihr 7-jähriger Sohn Jonas auf dem Dorffest in Ambra in der Toskana verschwindet. Maresciallo Donato Neri, der in der Carabinieri-Station von Ambra schon langsam von seiner Pensionierung träumt, ist verzweifelt, da es nicht das erste Verschwinden eines Menschen in der letzten Zeit ist. Als dann die erfolgreiche, in ihrem Tun etwas extravagante Maklerin von Luxusimmobilien Elena Ludwig, die für Donato und seine Frau Gabriella eine kleine Wohnung am Meer gefunden hat, nicht bei dem von ihr anberaumten Notartermin erscheint und auch ihre Tochter Kaya nicht mehr zu erreichen ist, läuten bei Neri alle Alarmglocken.

In seinem kleinen Urlaubsparadies in der Toskana verschwinden Menschen.

Bis zu dem Moment, wo Jonas vom Dorffest verschwindet, habe ich mich in Ambra richtig wohl gefühlt. Die immer wieder eingefügten italienischen Worte geben der Geschichte ihr toskanisches Flair. Auch die Beschreibungen der venezianischen Villen und der traumhaften Anwesen, die Elena Ludwig verkauft, tragen dazu bei.

Dann aber kommt so langsam das Grauen bei mir hoch. Denn ich komme einem Menschen immer näher, der sich in seiner Gier nach Macht und vor allem Geld und in seiner eiskalten Art immer mehr verliert und keine mehr Grenzen zu kennen scheint. Bei seinem perfiden Tun hatte ich Gänsehaut und war richtig schockiert. Einerseits wegen der Brutalität mit der er teilweise vorgeht, andererseits wegen seiner Feinfühligkeit, die für mich im krassen Gegensatz dazu steht. Mein Kopfkino habe ich an zwei Stellen abstellen müssen. Das war mir einfach zu heftig. Wie er hier agiert, ist nichts für schwache Nerven.

Ich habe mich gefreut, dass auch Donato Neri wieder mit an Bord ist, auch wenn seine Ermittlungen hier etwas am Rande stehen. Dafür sind die anderen Einblicke, die ich hier bekomme, um so entscheidender und ergreifender.

Sabine Thiesler hat erneut ein Buch geschrieben, bei dem mir die Seiten nur so durch die Finger geflogen sind. Die Spannung ist zuerst recht unterschwellig zu spüren, setzt aber dann mit voller Wucht ein und hält sich bis zum Schluss extrem hoch. Da macht es auch gar nichts, dass ich den Täter kenne. Zwischendurch wird es hier und da mal ein bisserl entspannter, wenn Donato und seine Gabriella überlegen, wie sie ihre Zeit im Ruhestand verbringen wollen. Diese kleinen Pausen habe ich aber auch gebraucht.

Die verschiedenen Erzählstränge nähern sich nach der Hälfte der Geschichte langsam an und ergeben schließlich ein rundes Ganzes.

Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt, die mich aufgewühlt und von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat. Absolut lesenswert!