Rezension

Aktuell wie nie

Der menschliche Makel - Philip Roth

Der menschliche Makel
von Philip Roth

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Jahr 1998 soll Präsident Clinton wegen seiner Affäre mit eienr Praktikantin des Amtes enthoben werden. Gleichzeitig sieht sich an einem Kleinstadtcollege der Professor Coleman Silk dem Vorwurf des Rassissmusses ausgesetzt und gibt sein Amt auf. Der Vorwurf ist falsch, aber Silk zieht sich trotzdem angesichts der unerbittlichen Jagd auf ihn - heute würde man Shitstorm sagen - zurück. Seine Frau stirbt kurz darauf an einem Schlaganfall und einige Zeit später sieht man Silk mit einer 34jährigen Putzfrau, die Analphabetin ist, ihre zwei Kinder bei einem Brand verloren hat und mit einem gewalttätigen Vietnamveteranen verheiratet war. Der Exmann bedroht sie weiterhin und schließlich kommen beide bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. Der Schriftsteller Nathan Zuckerman, der mit Silk befreundet war, recherchiert und erfährt, das Silk nicht der Mann war, der er vorgab zu sein.

Auch wenn Roths Stil mit seinen Bandwurmsätzen nicht immer leicht zu lesen ist, so ist das Buch doch wunderbar und sehr aktuell. Die Kleinstadtatmosphäre ist sehr gut geschildert, diese Mischung aus Sensationsgier und Spießertum in allen Kreisen der Gesellschaft. Besonders beeindruckt hat mich der Teil, in dem es um den Exmann der Putzfrau geht. Seine Nöte als Heimkehrer aus Vietnam sind sehr eindrücklich dargestellt, besonders die Szene, als er in einem Chinarestaurant essen soll, ist ein Meisterwerk für sich.

Ich halte das Buch deshalb für sehr aktuell, weil man in den Zeiten von Twitter und Facebook Gerüchte und Halbwahrheiten extrem schnell verbreitet und die Folgen für den Betroffenen bei solch einem Shitstorm meist unberücksichtigt bleiben - egal, ob es um einen Collegeprofessor oder einen Kanzlerkandidaten oder eine Bischöfin geht...