Rezension

Aktueller historischer Roman

Spielmanns Fluch - Jörgen Bracker

Spielmanns Fluch
von Jörgen Bracker

Bewertet mit 5 Sternen

„...Und zum Dritten geht es um die gewissenlosen Propagandisten im Stadtrat, weil sie sich für Geld die hehrsten Begründungen für Waffenlieferungen in Spannungsgebiete ausdenken...“

 

Wir schreiben das Jahr 1620. In Vierlanden melkt Jonas die Kühe seines Bruders, als es an das Tor hämmert. Es ist die Wirtin vom Zollenspieker mit ihren Leuten. Sie wurden überfallen und der Vater der Wirtin schwer verletzt. Jonas ahnt, das die Angreifer auch auf den Hof seines Bruders kommen werden und lässt sich eine geschickte Verteidigungsstrategie einfallen.

Als der Festungsbaumeister van Valckenburgh einen Boten sucht, fällt ihm der pfiffige Bauernjunge auf.

Der Autor hat einen spannenden historischen Roman mit sehr aktuellen Bezügen geschrieben. Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Jonas hatte das Johanneum, die Lateinschule, besucht. Er wollte eigentlich in Prag Theologie studieren. Doch wegen seines dunklen Aussehens und seiner zweifelhaften Herkunft wurde er gemieden. Eine Verleumdung sorgte dafür, dass er die Schule verlassen musste. Nun arbeitet er auf dem Hof seines älteren Bruders. Gerade in den Zeiten der Gefahr zeigt sich, dass er ein kluges Köpfchen ist.

In Hamburg lernt Jonas den jungen Spielmann Vaclav kennen und lieben. Das stellt ihn bald vor schwierige Entscheidungen.

Der Festungsbaumeister van Valckenburgh ist eine historische Person. Er ist Calvinist und von Moritz von Oranien beauftragt, Hamburg durch eine Mauer vor Kriegseinwirkungen zu schützen.

Der Roman zeugt von umfangreicher und exakter Recherche des Autors. Das Geschehen vor 400 Jahren weist durchaus Parallelen zur Gegenwart auf. Und genau die wurden gekonnt herausgearbeitet und thematisiert. Während Valckenburgh der Stadt den Frieden erhalten will, paktiert ein Teil der politisch Verantwortlichen und wirtschaftlich Herrschenden mit den Spaniern. Sie sehen ihre Chance darin, durch Waffenlieferungen Hab und Gut zu mehren. Dabei ist man durchaus bereit, beide Kriegsparteien zu beliefern. Gier siegt über Menschlichkeit. Hinzu kommen die auftretenden Spannungen in der Stadt. Neben den Katholiken und den Lutheraner nimmt die Zahl der Calvinisten zu, die aus anderen Teilen des Reiches nach Hamburg geflohen sind. Die aber sind unerwünscht.

Der Schriftstil des Buches ist ausgefeilt. Gleich zu Beginn bedient sich der Autor einer kurzschrittigen und abgehackten Sprache, um Angst und Unruhe auch durch das Wort deutlich zu machen. Bei der Beschreibung der Landschaft, der Stadt Hamburg und der Schiffsreisen dagegen findet er treffende Metapher. Zu den Höhepunkten des Buches gehören für mich die Gespräche zwischen van Valckenburgh und Jonas. Wenn der Baumeister ihm erklärt, dass es manchmal besser ist, auf Rache zu verzichten, weil jeder Tote neuen Hass weckt, dann war das nicht nur für die ferne Vergangenheit eine weise Aussage. Die Entwicklung der Protagonisten wird sehr feinfühlig dargestellt. Während Vaclav über detaillierte Rachepläne nachdenkt, hat Jonas van Valckenburgh und Anna, die Gefährtin seiner Kindheit, an seiner Seite, die ihm nicht nur notfalls den Kopf zurecht rücken, sondern auch eine neue Chance geben. Die Emotionen werden einerseits durch passende Worte, andererseits durch Taten dargestellt. Wut und Enttäuschung, Zuneigung und Verrat, Freude und Gemeinschaftssinn durchziehen mehr oder weniger die Handlung. Dem Autor gelingen Sätze, über deren tiefgründigen Inhalt es sich lohnt, nachzudenken. Obiges Zitat stammt von Jonas, der im Auftrage von van Valckenburgh Wege gegen den Waffenschmuggel finden sollte.

Im Nachwort trennt der Autor Fiktion von Realität. Ich war positiv überrascht, wie viele Fakten der Geschichte belegbar sind.

Weiterführende Literaturhinweise und eine Übersicht über Personen und Ereignisse ergänzen das Buch.

Das Cover mit dem Lautenspieler vor dem in zarten Farben gehaltenen maritimen Hintergrund passt gut zur Handlung.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. In einer fesselnden und abwechslungsreichen Handlung hat der Autor nicht nur eine Episode aus dem Dreißigjährigen Krieg verarbeitet, sondern geschickt aufgezeigt, dass Geldgier eine der entscheidenden Kriegstreiber ist. Hat die Menschheit daraus gelernt??