Rezension

All die schönen Schreibtische ...

Wo Frauen ihre Bücher schreiben - Tania Schlie

Wo Frauen ihre Bücher schreiben
von Tania Schlie

Bewertet mit 5 Sternen

Es gibt viele Orte, an denen Frauen Bücher schreiben. Wir wissen von Joanne K. Rowling, dass sie ihre Bücher an einem Kaffeehaustisch schrieb, weil es zu Hause zu kalt war. Heute ist sie die erfolgreichste und vermögendste Schriftstellerin aller Zeiten. Von der Nobelpreisträgerin Toni Morrison wird gesagt, sie habe ihre Bücher am Küchentisch geschrieben, zwischen Tellern und Brotkrümeln. Für Colette, die durch eine Arthrose über Jahre ans Bett gefesselt war, war dieses Bett ihr »Diwanfloß«, auf dem sie schrieb.
Es gibt die unbehausten Dichterinnen, die keinen festen Arbeitsplatz benötigen, die immer auf Reisen sind und überall schreiben können. Und es gibt die anderen, die feste Zeiten und Rituale benötigen, um ihre Gedanken aufs Papier zu bringen.
Dieses Buch stellt fünfzig (?? - Anm. d.R.) Schriftstellerinnen und Dichterinnen vor: Die älteste Autorin stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert, die jüngste ist ein Kind unserer Zeit. Es zeigt Fotos der Lebens- und Arbeitsräume schreibender Frauen, ihre Schreibtische, Manuskripte, Briefe und Bücher und stellt dabei die Frage: Welches Lebensgefühl strahlen die Schreibrefugien von Schriftstellerinnen aus, und wie färben diese auf ihr Leben und Schreiben ab? (Verlagsseite) 

Mit einem Vorwort von Elke Heidenreich und einer Einführung von Tania Schlie „Wir lernen Autorinnen kennen, die ohne zu schreiben nicht leben können (Ingeborg Bachmann), solche, die durch das Schreiben ein großes Unglück verarbeiten (Isabel Allende) oder ihrem ereignislosen Leben entfliehen (Jane Austen), aber auch jene, die ihre Bücher am Herd konzipieren und schreiben, um Geld für die Renovierung des Hauses zu verdienen (Agatha Christie).“ Zitat aus der Einführung

Die einen schlagen die Regenbogenpresse auf, um sich Gemächer und Boudoirs von Königen, Stars und Sternchen anzusehen, unsereiner befriedigt seinen Voyeurismus auf das Objekt der Begierde mit Büchern wie diesem. 

Wie haben sie es gemacht, wo haben sie es gemacht? Diese Fragen nach dem Ort ihres Schreibens beantwortet das Buch vor allem mit Beispielen aus Europa und Amerika – leicht einzusehen, warum: Dort sind Fotos und Artikel archiviert.
Erstaunt liest man, wie manche Bücher entstanden: Spät nachts oder früh morgens, wenn die Kinder schliefen, am Küchentisch, auf dem Fußboden liegend, in Kneipen – es gibt keinen Ort, an dem nicht Geschichten zu Papier kamen und kommen.

Vorgestellt werden gemütliche Arbeits- (Wohn-)zimmer, opulente Schreibstuben und kahle, büroähnliche Kammern. Die einen schreiben in der Einsamkeit, stellen das Telefon ab und fürchten jede Störung; die anderen begeben sich unter Menschen, trinken Kaffee oder Bier und riskieren, von Leuten angesprochen, unterbrochen zu werden. Die einen schreiben auf ihr spezielles Papier mit bevorzugtem Schreibgerät; die anderen freundeten sich schon früh mit dem Computer an. Die einen brauchen den Austausch und die Korrektur eines Ehemannes / Freundes / einer Freundin; die anderen gehen erst dann an die Öffentlichkeit, wenn sie selbst und niemand anders hundertprozentig mit einem Text zufrieden sind.
Diese Beispiele zeigen, dass es in diesem Buch nicht nur um Schreibtische oder Arbeitszimmer geht, sondern um die Individualität des Schreibens.
Dass die Art, sich seiner Kreativität, Phantasie und Schreibarbeit zu nähern, sich in Sprache, Aufbau und Handlung, auch im bevorzugten Genre niederschlägt, scheint einleuchtend. 

Bis in die 1980er Jahre war es eher unüblich, ein Foto des Autors auf den Klappen zu zeigen. Man war auf seltene Feuilletonartikel oder biographische Literaturlexika angewiesen war, um das Gesicht eines Schriftstellers kennenzulernen. Und wunderte sich nicht selten, wenn der / die Abgebildete dem Autorengesicht, das man sich aufgrund der Lektüre gemacht hatte, so wenig ähnlich sah. 
Damit hat man natürlich in der Zeit des Internets keine Probleme mehr; dennoch gefällt die Zusammenstellung von Wohnungs- und Personenbildern. Und nicht zuletzt die gefälligen Fotos, die die Kapitel einleiten. Man wünschte sie sich als Poster. 

Bei aller Verschiedenheit der Lebensumstände und Schreibweisen scheint ein Laster die Autorinnen zu verbinden: Die meisten waren Kettenraucherinnen. Aber die wenigsten kostete dies das Leben.