Rezension

Alltag und Poesie

Halbnah -

Halbnah
von Anna Maria Stadler

Die Stadt als Ort der Begegnungen, des sozialen Miteinanders aber auch eines Vakuums, das von den Menschen mit ihren unterschiedlichen Geschichten, Bedürfnissen und Wünschen gefüllt wird – „Halbnah“ bietet für all dies einen Raum, Auffangbecken und Projektionsfläche. Und gleich Perlen an einer Kette reihen sich Ausschnitte der einzelnen Leben und Handlungsfragmente aneinander.

Drei Frauen sind es, die wir begleiten in einer zeitlich klar begrenzten Gegenwart und einer Vergangenheit, die weit und breit ist. Kata und Mira verbindet eine gemeinsame Kindheit, ein Aufwachsen als Schwester und Pflegekind und ein Verhältnis der räumlichen Distanz und emotionalen Nähe. Sarah erscheint dagegen in einem Prozess des Loslassen und des Infragestellens ihrer sozialen Bindungen und Beziehungen. Mit Blick auf ihren Lebensgefährten Elias folgt auf ihre emotionale Entfremdung ein Weggang aus der gemeinsamen Wohnung und damit eine Trennung. Stück für Stück. Karton für Karton. Ein Zueinanderfinden mit Benjamin, auf welchen sie Sehnsüchte und die Hoffnung auf eine erfüllte Partnerschaft projiziert, findet anders als von ihr erhofft jedoch nur in kleinen Schritten statt.

„Halbnah“ ist viel und sperrt sich gegen eine Zuordnung in Genres und Kategorisierungen, die eigenen literarischen An- und Zielsetzungen nur wenig Raum lassen. Es ist die Beschreibung des Alltags der jungen Frauen, die uns Einblicke in Denken und Handeln einer Generation und doch dreier Individuen gewährt. Zugleich sind es die poetischen Elemente und die Klugheit in Aussagen und Betrachtungen, die ein Verweilen in Kopf und Gedanken schaffen – und eine Fortsetzung im Bezug zu eigenen Ansichten und Leben.

Nur die Perlen auf der Kette reihen sich in Teilen in Abständen, die lose und in ihrer Verbindung nicht eindeutig sind. Bevor sie abreißen – so wie auch der beschriebene Tag so plötzlich zu enden vermag.