Rezension

Alte Hexen und moderner Wahnsinn…

Die Hexe von Norderney - Christian Hardinghaus

Die Hexe von Norderney
von Christian Hardinghaus

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Nordsee spült eine Leiche an den Strand von Norderney. Es ist Merle Onken, ein Teenager, der seit zwei Tagen als vermisst gilt. Zuletzt war sie mit ein paar Klassenkameraden auf der Insel unterwegs. Dieser Ausflug endet damit, dass Merle allein in einem alten Bunker eingesperrt wird. Aber wie kommt das Mädchen dann tot an den Strand? Gesa Onken, Merles Mutter, glaubt die offizielle Selbstmordtheorie nicht und wendet sich hilfesuchend an ihren alten Liebhaber Carsten Kummer, Kommissar bei der Bremer Mordkommission. Dabei muss sie ihm gestehen, das Merle seine Tochter ist, von der er bisher nichts wusste.

Der Bremer Kriminalkommissar Carsten Kummer erhält eines Abends einen überraschenden Anruf. In diesem erfährt er nicht nur, dass er Vater einer Mädchens im Teenageralter ist, sondern auch, dass diese Tochter vor ein paar Tagen gestorben ist, angeblich durch einen Suizid. Dieses Gefühlschaos, das daraufhin verständlicherweise in ihm ausbricht, schildert der Autor sehr glaubwürdig, anschaulich und dennoch sehr sensibel.

Zwiespalt

Kummer reist anschließend nach Norderney um zu klären, was es zu klären gibt. Auch sein Ausflug auf den örtlichen Friedhof und seinen inneren Zwiespalt zu dem gesamten Geschehen finde ich sehr glaubwürdig geschildert. Nachdem auch er davon überzeugt ist, dass ein Selbstmord eher unwahrscheinlich ist tritt er den zuständigen Kollegen schon ziemlich auf die Füße.

Verwirrspiel

Ein zweiter Mord lässt dann auch die Kollegen nicht mehr daran zweifeln, dass es hier um Tötungsdelikte geht. Ein ziemliches Verwirrspiel, im positiven Sinne, beginnt und die Verdächtigen vermehren sich beinahe von selbst. Die meisten Dinge fand ich nachvollziehbar und logisch geschildert, wenn auch nicht alles. Manches klärt sich erst im Epilog - da hätte ich mir ein paar mehr Information schon im Hauptteil des Buches gewünscht. Gerade die Geschichte rund um die Sage von Dortje, der Hexe, die 1544 ihr “Unwesen” auf “Norder neye oog” getrieben hat hätte gern etwas ausführlicher behandelt werden dürfen.

Hörbuchvariante

Trotz dieser kleinen Meckereien hat mir die Geschichte um Kommissar Kummer wirklich viel Spaß gemacht. Ich konnte mitraten, mitfiebern oder mich mitärgern,  je nachdem, worum es gerade ging. Ich hatte mich ja für die Hörbuchvariante entscheiden, bei der Sprecher Thomas Schmuckert die Geschichte erzählt. Er macht das mit viel Gefühl für die Charaktere und das Timing, wobei mir der asthmatische Husten des Inselarchivars und das dümmliche Lachen des “Dorfbullen” irgendwann tatsächlich gestört haben. Da wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Aber auch das ist jammern auf wirklich hohem Niveau.

Mein Fazit:

Die Hexe von Norderney von Christian Hardinghaus war für mich eine Neuentdeckung die mir wirklich viel Spaß gemacht hat. Ich mochte die Story, den Schreibstil und - bis auf wenige Ausnahmen - den Erzähler beim Hörbuch. Hier gibt es auf jeden Fall eine Hör - bzw. Leseempfehlung und ich warte nun auf den Mai um mir das zweite Abenteuer von Carsten Kummer zu gönnen…