Rezension

Alternative Geschichte der Epoche der Entdecker

Afrika und die Entstehung der modernen Welt -

Afrika und die Entstehung der modernen Welt
von Howard W. French

Bewertet mit 5 Sternen

Howard W. French ist auf den Spuren der Familiengeschichte seiner Frau (deren Vorfahren aus Côte d’Ivoire stammen) nach Ghana gereist, im 15. Jahrhundert Zentrum des lukrativen Sklavenhandels, auf die karibischen Inseln und in die Heimat seiner Vorfahren ins Mississippi-Delta. Die beiden letzten Regionen trugen durch Plantagenwirtschaft und Sklavenarbeit entscheidend zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Europas und der USA bei. Frenchs Großmutter stammt direkt von einer Sklavin ab, in seiner Kindheit hat seine Mutter die Saat für seinen kritischen Blick gelegt, indem sie unermüdlich darauf hinwies, dass zur Geschichte jedes Südstaatenanwesens die der Sklaven gehört.

Dem zumeist einseitigen Blick der Geschichtsschreibung auf die Zeit der Entdeckungen setzt French eine alternative Weltgeschichte „von unten“ entgegen und analysiert die wirtschaftlichen Interessen der Kolonialmächte. Laut French hätten die Kolonialmächte weder Kontakt zu fernen Kulturen gesucht, noch aus purem Abenteuerstreben einen Seeweg nach Asien, sondern die Edelmetallvorkommen Westafrikas begehrt. Dass die Reisen der Entdecker Handwerk und Schiffbau eine wirtschaftliche Blüte bescherten, und zur Weiterentwicklung von Kartografie und Navigation führten, war eine willkommene Nebenwirkung. Neben den kaum fassbaren Zahlen geraubter, verkaufter und geschundener Menschen vermittelt Howard, warum Rassismus Basis des Sklavenhandels gewesen ist und welche Handelsgüter die Weißen begehrten. Der zur Profitsteigerung akribisch protokollierte und ausgewertete Zuckerrohranbau auf Plantagen (Karibik, US-Südstaaten) war, laut French, durch die Bereitstellung kalorienreicher Nahrung für die Industrialisierung in Europa entscheidender als technische Entwicklungen.

Howard French gelingt es, einige Heldenfiguren aus der Epoche der Entdeckungen vom Sockel zu kippen, und er zeigt den eurozentrischen Blick auf, mit dem die damaligen Kolonialmächte beanspruchten. etwas entdeckt oder entwickelt zu haben, das in anderen Regionen möglicherweise schon lange bekannt war.

Wer sich für die Epoche der Entdeckungen und der Plantagenwirtschaft, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die verschwiegene Geschichte der Sklaven interessiert, findet hier Zusammenhänge, die verdienen, ins Rampenlicht gerückt zu werden. Für Fans von Plantagen-Romanen könnten Howards Berichte eine Horizonterweiterung sein. Sein biografischer Ansatz und sein Er-reisen des Themas setzen zwar keine Vorkenntnisse voraus, dennoch fehlt dem Thema der rote Faden, der einen beim Lesen durch die Seiten drängt.