Rezension

Altersweise, aber nicht altersmilde

Altern -

Altern
von Elke Heidenreich

Bewertet mit 4.5 Sternen

Elke Heidenreich ist 81. Da weiß man, die verbleibende Lebenszeit ist begrenzt. Eigentlich weiß man das auch irgendwann nach dem 40. oder 50. Geburtstag - es ist weniger übrig, als hinter uns liegt. In ihrem Buch "Altern" setzt sich Heidenreich mit dem Altwerden, dem Altsein, dem Selbstgefühl und dem Blick der Gesellschaft auf "die Alten" auseinander. Da sie sich jahrzehntelang mit Büchern und Lesen befasst hat, greift sie auch hier zur Literatur, findet Tröstliches, Kritisches, Diskussionswürdiges. 

Es ist ein kluges Buch geworden - altersweise, aber nicht altersmilde. Mit kritischem Blick und mancher Spitze hat die Autorin all die Jahre gelebt, da will sie jenseits der 80 nicht die liebe, pflegeleichte Alte werden. Sie hat keine Angst, anzuecken, wenn sie sich dem Zeitgeist verweigert und auch Thesen äußert, die durchaus kontrovers sein können.

"Altern" ist ein sehr persönliches Buch. Und es regt an, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, gerade wenn man eben keine 30 oder 40 mehr ist, wenn die Zeit im Berufsleben absehbar in die letzte Runde geht, wenn Kinder aus dem Haus und Eltern gestorben sind. Es ist durchaus tröstlich - es ist keineswegs alles vorbei. Und es beschönigt nicht: Die Einschränkungen, die Grenzen, sie kommen. Wie auch die Einschläge von Verlust, wenn Freunde aus der gleichen Generation sterben. Wenn der Verlust dieser Freunde zu Einsamkeit führen kann. Überhaupt, die Einsamkeit - "Altern" macht deutlich, wie wichtig ein funktionierendes soziales Netzwerk ist.

Heidenreich ist ehrlich: Das lebenswerte, erfüllende Leben im Alter ist stark abhängig von Gesundheit und der finanziellen Ausstattung. Alt, arm und krank zu sein - das ist ein himmelweiter Unterschied zu ihrem aktiven Leben, in dem Arbeit weiter eine wichtige Rolle spielt. Sie zieht Vergleiche zu dem Altern ihrer Mutter - und sie setzt sich mit Sterben und Tod auseinander, unprätentiös, nichts beschönigend aber auch nicht bereit, sich von Ängsten beherrschen lassen. Heitere Gelassenheit und Akzeptanz des Unumgänglichen, so könnte man die Haltung beschreiben. Mit 80, so versichert sie, ist vieles vielleicht nicht mehr möglich, doch die Lust am Leben muss noch nicht vorbei sein - und gewinnt angesichts des Wissens um seine Endlichkeit nur noch mehr Tiefe.