Rezension

Geht so.

Altern -

Altern
von Elke Heidenreich

Bewertet mit 3 Sternen

Im Westen nichts Neues - Heidenreich kanns besser!

Ich habe ein paar Tage gezögert, bevor ich das Buch kaufte. Ich mag Elke Heidenreich und ihre Bücher sehr. Aber 20 Euro für 110 Seitchen empfand ich als einen stattlichen Preis, dann dieser Hyphe um die neueste Veröffentlichung. In ihren Lesungen würden Zuhörerinnen im Anschluss weinend auf die Autorin zukommen, berichtet sie in Funk und Fernsehen.

Was nun die Beurteilung der Lektüre angeht, bin ich zwei-geteilt. Das Buch lässt sich gut lesen und wie immer gefällt mir Heidenreichs Stil, ihre Sprache ('(…) dass sich die Reihen so grausam lichten, dass man vor dem Tod derer, die man liebt, mehr Angst hat als vor dem eigenen',96) , ihre Metaphorik und ihr Humor.

Wirklich Neues teilt uns Heidenreich allerdings über das Alter und den Blick darauf nicht wirklich mit. Wer sich in einer fortgeschrittenen Lebensphase befindet und zudem noch gern und viel liest, hat bereits mehrmals ausgiebig darüber nachgedacht und das Thema von mehreren Seiten beleuchtet.

Schade und auch als bedrückend empfinde ich es, dass Heidenreich die Lebensspanne vom 17. bis 30. Lebensjahr, die Jugend und das frühe Erwachsenensein, als dermaßen schrecklich empfunden hat ('fast alles unter 30 war eine Quälerei', 17). Was die Autorin mit dem «fast» meint, wird leider nicht weiter ausgeführt. Ich bin überzeugt davon, dass es in jeder Lebensphase und sei sie noch so düster, schöne Augenblicke gibt. Meine Jugend und alles vor dem 30sten Lebensjahr war jedenfalls nicht schrecklich, auch wenn nicht immer alles einfach war.

Heidenreichs prä-mortaler Nachruf auf S. 98 turnt mich regelrecht ab.Ich empfinde ihn als von 'oben herab', vermessen bis arrogant, tendenziell überheblich, auf jeden Fall viel zu pauschal. Auch ich bin eine Freundin der Direktheit und schonungslosen Ehrlichkeit, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich unbeliebt mache oder aber irgendwo anecke. Aber wer bitte schön ist Elke Heidenreich,dass sie meint, sich in ihrem Nachruf derart pauschal über die Gesellschaft stellen zu müssen? Selbst wenn sie sich das ewige Kritisieren und Unbeliebtmachen als ihr typisches Wesensmerkmal auf die Fahne schreibt und selbst wenn sie dem Motto folgen sollte 'je oller je doller'. Dass unsere Gesellschaft sich verändert und nicht alles schön ist, wissen wir Leser. Doch es gibt immer noch die anderen, die die im Nachruf unerwähnt bleiben: Die Mutigen, Anspruchsvollen, Werte-Treuen, Kunstliebhaber, die Reflektierrer, die Bewussten, die Empathischen usw. Allein die Babyboomer machen 15% der deutschen Gesellschaft aus, von dem großen Anteil der Senioren ganz zu schweigen plus den Menschen, die fleischlos leben usw....all jene kann sie mit ihrem Nachruf schon einmal nicht gemeint haben. Aus meiner Warte hat Heidenreich mit ihrem Nachruf den Bogen einigermaßen überspannt. Mäßigung war schon bei den alten Griechen eine Tugend.

Schön sind die Zitate und Metaphern aus fremden Federn wie z.B. die Bobbios.

All das Gesagte berücksichtigend, kommt das Buch mit 3 Sternen noch ziemlich gut weg.