Rezension

Amerika im Streit mit sich selbst

Der amerikanische Architekt - Amy Waldman

Der amerikanische Architekt
von Amy Waldman

Unzählige Menschen verbinden mit der Stadt New York vor allem das Gefühl von Freiheit. Wer einmal durch die Straßen Manhattans gegangen ist, weiß welchen Schmelztiegel ethnischer Vielfältigkeit man dort auf engstem Raum vorfindet. Schon immer trägt diese Tatsache zum Zauber der Stadt bei. Auch die Terroranschläge vom 11. September 2001 konnten daran zumindest vordergründig nichts ändern. Doch wie liberal ist die USA tatsächlich? Wie tief sind die ganz persönlichen Wunden, die dieser verheerende Dienstag den Menschen zugefügt hat? Amy Waldman blickt in Der amerikanische Architekt" weit hinter die Fassade einer verwundeten Stadt und ihrer Bewohner.

Zwei Jahre nach dem 11. September 2001 wird in New York ein offener Architekturwettbewerb für den Bau einer Gedenkstätte für die Opfer der Anschläge ausgeschrieben. Eine bunt zusammengewürfelte Jury mit Mitgliedern aus Kunst und Politik entscheidet über den Gewinner des Wettbewerbs. Claire Burwell, die im World Trade Center ihren Mann verloren hat, vertritt in der Jury die Interessen der Angehörigen und kann sich mit ihrem Favoriten sogar durchsetzen. Die Jury ist sich einig, dass der Entwurf Der Garten" gewinnen soll. Als dann allerdings der Umschlag geöffnet wird, der die Identität des Architekten bekannt gibt ist das Entsetzen innerhalb der Jury groß. Es handelt sich um Mohammed Khan. Zunächst wird alles versucht die Tatsache, dass ein Moslem diesen für New York zu wichtigen Architekturpreis gewonnen hat, vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Doch schnell bekommt die Presse Wind von der Sache und Der Garten" erschüttert die Demokratie der USA bis in ihren Grundfesten

Amy Waldmans Debüt gehört für mich zu den ganz seltenen Schätzen, die man im Laufe eines Lesejahres zufällig entdeckt. Die Geschichte ist so kraftvoll geschrieben, dass Langeweile auf den gut 500 Seiten keinen Platz hat. Die Autorin zeigt innerhalb der Geschichte sehr viele Facetten der Einwohner New Yorks. Obwohl eine große Anzahl von Protagonisten eine Rolle spielt, entwickelt doch jede neu eingeführte Figur ihren ganz eigenen Charakter und trägt maßgeblich zur Geschichte bei. Keine einzige der Figuren war überflüssig und keine hätte ich während der Lektüre missen wollen. Der Roman lädt ein über die eigene, doch häufig so hoch eingeschätzte Toleranzfähigkeit nachzudenken und zeigt auf teilweise erschreckende Art und Weise, wie schnell eine moderne und liberale Gesellschaft auch heute noch bereit ist, Menschen vorzuverurteilen oder wegen ihrer Religionszugehörigkeit auszugrenzen. Die Autorin lenkt den Blick des Lesers weg von den bereits über und über medial ausgeschlachteten Bildern rund um die klaffende Lücke, die die Geschehnisse des 11. Septembers 2001 mitten in New York hinterlassen haben. Vielmehr gibt sie auch den Menschen im Hintergrund eine Stimme, über die wenig oder gar nicht berichtet wurde und zeigt, dass es Wunden gibt, die vielleicht niemals heilen.